Life at 30: Langsam ist nicht schlechter

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Es ist Zeit, dass „langsam” einen Imagewechsel bekommt. Schon unseren Kids rufen wir zu „Beeil dich doch bitte mal”. Und „Die ist ja ganz schön langsam” ist eine Beschimpfung. Aber langsam ist nicht automatisch schlechter. Das sollten wir gerade jetzt in der Herbst-Hektik mal besprechen.

Sobald der Oktober da ist, scheint die Zeit noch einmal extra schnell zu rennen, oder? Die Lebkuchen im Supermarkt und die Countdowns in den Medien schreien uns an: Noch 11 Wochen bis Weihnachten. What? Haben doch gerade gestern erst die kurzen Hosen weggepackt.

Im Herbst habe ich vor Ende des Jahres immer besonders das Gefühl, dass die Wochen einfach so dahinfliegen. Vielleicht weil ein „Ende des Jahres” als Markierung gilt. Ganz bestimmt aber auch, weil wir immer gesellschaftlich das Gefühl bekommen (und im Job sowieso), dass Ende des Jahres alles „fertig” sein muss. Was auch immer das in manchen Fällen bedeuten soll. Ja, bei einer Buchhaltung mit Rechnungsstellung ist das sinnvoll. Aber in vielen Belangen ist er einfach hausgemacht dieser „Fertigwerden-Druck”.

Seit ich die Ausbildung zur Stressmanagement-Trainerin gemacht habe 2019 und mich seitdem auch mehr mit der Achtsamkeitsforschung und Psychologie beschäftige, da fällt mir die ständig tickende Uhr noch mehr auf. Und dieser „Schnell, schnell”-Wahn, dem wir so häufig hinterher hecheln. Ich ertappe mich dabei auch immer wieder selbst. Manchmal finde ich eine Woche super anstrengend und dann fällt mir auf, dass es das „nur von Termin zu Termin Gerenne” war. Beruflich und in der Freizeit. Puh… Pause-Taste bitte.

Eines meiner beliebtesten Postings auf Instagram in diesem Jahr war übrigens ein Bild vom Strand mit der schlichten, aber so wichtigen Aufschrift:

Nur weil es Zeit braucht, heißt es nicht, dass es nicht passiert.

Und diese Message werde ich immer wieder und wieder teilen. Und mir auch regelmäßig selbst vor Augen führen. Weil wir es beim Blick auf die anderen und in unserer „Erfolgsgesellschaft” (Ja, nicht mal Leistung… oft zählt nicht wie sehr du dich angestrengt hast, sondern nur das Ergebnis.) immer wieder vergessen.

Alles muss immer sofort sein. Aber warum eigentlich? Durch das ganze Rennen berauben wir uns selbst so vieler schöner Momente. Wie getrieben und ferngesteuert rennen wir teilweise durch die Wochen. Um dann irgendwann außer Atem anzuhalten. Dabei fordern wir andere auf, unser Tempo zu halten. „Kannst du mir das Material schon bis morgen schicken?” „Besorgst du nach dem Feierabend noch schnell die Einkäufe?” „Komm trödel nicht, wir müssen los!”

Mehrere Tage im Urlaub mal nicht am Handy sein – in den unterschiedlichsten Berufsgruppen heutzutage kaum noch denkbar. Immer erreichbar, klar. Schnell mal den Laptop anschalten. Nur kurz mal fix antworten. Muss ja immer alles weitergehen. Stillstand? Nicht möglich. Oder?

Langsam ist nicht schlechter!

Ich wünsche mir so sehr, dass wir häufiger mal das Tempo rausnehmen. Nicht nur plakativ à la: Okay, heute Abend bleiben wir zu Hause und sagen die Veranstaltung ab (aber auch!). Sondern auch im Kopf. Dass wir es bei uns und bei anderen nicht immer automatisch einfordern, dass alles schnell, schnell passieren muss. Wir akzeptieren, dass Langsamkeit nicht negativ bewertet sein sollte, sondern auch einen echten Luxus darstellt. „Stop and smell the roses” – wenn ich so richtig Zeit habe für schöne Dinge, das ist für mich absolut luxuriös.

In Bezug auf Zeitdruck will ich da bei mir unbedingt daran arbeiten, früher zu Terminen loszugehen. Damit ich nicht am Ende doch zur U-Bahn sprinten muss. Ja, ich komme dann dennoch pünktlich an. Aber dieses Sprinten vorher kostet so viel Energie (auch im übetragenen Sinne). Das will ich bei mir ändern.

In meinen Mentorings ermutige ich aber auch im großen Bild dazu, dass wir langsamer machen. Ein wichtiger Faktor ist dabei, unser eigenes Tempo zu finden. So oft sind wir nämlich durch die Vergleiche mit anderen getrieben. Die Kollegin hat die Präsentation schon fertig. Die Schwester hat schon zwei Kinder und baut gerade ein Haus. Die Freundin schafft alles immer irgendwie gleichzeitig.

Alles muss immer scheinbar sofort sein. Vor kurzem fragte ich mich (und euch): Aber wenn alles immer sofort sein muss, was machen wir dann eigentlich später? Warum meinen wir, dass wir uns ständig mit allem so beeilen müssen? Es ist doch auch schön noch Ziele und Träume im Leben zu haben. Wie langweilig wäre es denn, wenn ich in zehn Jahren mit 45 dann „alles erreicht habe”, aber vom Tempo der vergangenen Jahre so richtig fertig bin? Ich liebe diese motivierenden Statements in den sozialen Medien, wenn gesagt wird: Du kannst mit 40, 50, 60, 70 auch noch mit xyz anfangen. Weil es stimmt.

Manche Dinge (viele gute Dinge) brauchen auch wortwörtlich Zeit. Und ich finde es umso belohnender, wenn wir lange auf etwas hingearbeitet haben (wie bei mir zum Beispiel gerade mein Retreat an der Ostsee Ende November) und es dann Realität wird. So ein gutes Gefühl, oder?

Lasst uns immer wieder dran denken: Etwas darf Zeit brauchen und langsam ist (außer beim Olympia-Sprint) nicht automatisch immer schlechter.

Und apropos Retreat: Hier geht es auch darum, zur Ruhe zu finden in all der „Endjahreshektik” und das eigene Tempo im Alltag zu priorisieren. Hier im Artikel habe ich all eure Fragen beantwortet. Schau unbedingt mal rein, gerade sind noch ein paar letzte Plätze für Ende November frei.

Bild: Sophie Wolter auf Gut Damp


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