Life at 30: Immer wieder diese Endjahreshektik

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Jedes Jahr wieder. Sobald der November beginnt, scheinen wir nur noch von Aufgabe zu Aufgabe und von Termin zu Termin zu sprinten. Immer wieder diese Endjahreshektik. Warum mich das so stört und warum ich glaube, es muss auch anders gehen? Heute in der Kolumne.

Je älter ich werde (ja, ich weiß, ich bin erst 35 und nicht 75…), desto weniger komme ich mit unserer „Leistungsgesellschaft”, nein eher „Erfolgsgesellschaft”, klar. Die Ellenbogen und dieses „Höher, schneller, weiter” habe ich schon immer verachtet. Aber diese absurde Schnelligkeit, die so oft gelebt und gefordert wird, wäre manchmal geradezu lächerlich, würde sie uns nicht so sehr belasten.

Wo rennen wir denn alle hin? Immer wieder diese Endjahreshektik.

Schon das ganze Jahr über muss alles immer schneller gehen. Wir bekommen anerzogen, dass es „lange dauert”, wenn der Lieferdienst nicht innerhalb von 15 Minuten vor der Tür steht. „Beeil dich” rufen wir allen (sogar den Kleinsten) zu. Denn Zeit haben wir alle nicht.

Seit ich mein Mentoring gebe und mich 2019 zur Stressmanagement-Trainerin ausbilden ließ, fällt mir das alles nur noch stärker auf. Denn früher, da habe ich mich nicht über das immer schneller werdende Tempo gewundert. Alles nicht so sehr hinterfragt. Bin einfach mitgerannt. Ja, nur Onlineredakteurin sein, nee. Online-Leitung. Das Team wird wegen Sparmaßnahmen immer kleiner? Ach, dann muss ich einfach nur noch mehr durchziehen. Reinpowern. Rennen. Ja, nur das das Leben kein Sprint ist bis zu einer Ziellinie, nach der wir uns dann wieder ausruhen können, sondern ein Marathon. Ist etwas geschafft oder erreicht, dann ändert sich sofort das Ziel, oder es kommt das nächste auf. Und zack, müssen wir wieder unsere Laufschuhe anziehen und möglichst schneller laufen als Usain Bolt zu seinen besten Zeiten.

Alles fix, fix. Alles schnell, schnell. Alles perfekt, perfekt.

Und wäre das Jahr, besonders nach einer Pandemie und mit einer mittlerweile daraus resultierenden „mentalen Pandemie” und all den News, die es zu verkraften gilt, nicht schon anstrengend genug. Da warten dann die letzten acht Wochen des Jahres. Der November und der Dezember. In diesen Wochen wird dann von allen Seiten erwartet (besonders im Job), dass nochmal so richtig der Turbo eingelegt wird. Vielleicht habe ich zu viel Formel 1 Doku auf Netflix gesehen, aber mit dem schnellen „Boxenstopp” ist es bei uns leider nicht getan. Wir können nicht immer das Tempo hochhalten und dann zum Ende des Jahres sogar noch einmal steigern. Da fehlt die Entschleunigung zwischendurch. Das wieder Aufladen, oder um bei der Metapher zu bleiben: uns richtig aufzutanken. Nicht nur kurz, kurz und schnell, schnell. Nicht nur ein Feel-Good-Film und ein Tee am Sonntag und dann Montag weiter sprinten.

Wann nehmen wir endlich kollektiv das Tempo raus?

In meiner Arbeit mit Mentees und Workshop-Teilnehmer*innen, da fällt mir auf, dass wir alle solch einem Druck unterliegen. Die Kollegin scheint immer mehr zu schaffen. Der Chef erwartet doch eigentlich noch mehr von uns. Und wir fühlen uns so oft unzulänglich, weil wir alles nicht schnell genug „hinbekommen”. Weil wir – ups sorry – Menschen sind und keine Maschinen. Ach Mist, an KI müssen wir ja jetzt auch noch denken. Noch mehr Druck, wenn wir unsere Geschwindigkeit auch noch mit der von künstlicher Intelligenz vergleichen.

Ich habe es bei mir selbst so sehr gemerkt. Als ich aus Italien kam und in Deutschland landete. Da blieb mir Anfang November fast die Luft weg. Weil mir diese Endjahreshektik so sehr entgegenschlug. Das muss alles noch bis Ende des Jahres fertig werden. Wir müssen alles schneller und möglichst gleichzeitig erledigen. Können wir nicht neben der Arbeit noch alle Weihnachtsgeschenke tagsüber besorgen? Am Wochenende muss auch noch etwas fertig gemacht werden, die Woche reicht gerade für die Arbeit nicht aus. Und dann müssen wir noch alle Freunde und jedes Familienmitglied einmal sehen, bevor das Jahr vorbei ist.

Ganz ehrlich: Manchmal will ich wie ein zorniges Kleinkind mit dem Fuß aufstampfen und ganz laut schreien: „Im Januar startet ein neues Jahr! Warum immer diese Endjahreshektik?” Schließlich steht es um die Welt zwar schlecht, aber ich habe nirgends gehört, dass am 1.1.2024 nicht einfach ein neuer Tag beginnt. Ein neuer Monat, der auch wieder gefüllt werden kann. Dinge erledigt werden können. In dem wir uns auch sehen können. Warum immer alles im November und im Dezember?

Manchmal lasse ich mich ein wenig mitziehen von all der Hektik um mich herum. Merke aber heute (im Gegensatz zu früher, weil ich viel bewusster mit mir umgehe), wenn das gar nicht mein Tempo ist. Ich richte heute den Blick viel mehr auf mich selbst und nicht mehr auf alle anderen um mich herum. Klar, die Rechnungen stelle ich als Selbständige zum Jahresende sehr pünktlich, damit ich es noch für dieses Jahr verrechnen kann. Aber ob „Projekt x” wirklich auch noch in den vollgepackten Dezember gequetscht werden muss? Und ob ich die Freundin nicht auch viel entspannter zum Jahresanfang und nicht zum Jahresende treffen kann? Solche Dinge hinterfrage ich mittlerweile sehr deutlich.

Mir ist in meiner „Hamsterrad-Zeit” aufgefallen, dass wir so, so viel verpassen, wenn wir immer so rennen. Wir übersehen schöne zwischenmenschliche Situationen, weil wir schon wieder auf die Mails im Smartphone starren, obwohl wir eigentlich frei haben. Stellen Hobbys und Dinge hintenan, die uns so gut tun (bei mir ist es, wenn es hektisch wird, oft die Bewegung, die so wichtig für meinen Körper und mein mentales Wohlbefinden ist).

In den letzten Jahren merkte ich, dass genau die Sachen, die ich in all dem Rennen mit „keine Zeit” immer wieder verschoben hatte, genau die Sachen waren, die eigentlich so wichtig waren für mich. Mir Zeit zu nehmen für Sport, ein gesundes Mittagessen selbst zu kochen, mich auch mal treiben zu lassen. Momente wirklich voll aufzusaugen oder das Gespräch mit der besten Freundin am Telefon und nicht schnell als WhatsApp zu führen.

Und wann stehen wir für unsere ganz eigene Geschwindigkeit ein?

Ich will dieses ewige Rennen auf sich verschiebende Ziele nicht mehr und ich will die Endjahreshektik auch nicht einfach jedes Jahr wieder so hinnehmen. Und deswegen versuche ich im Kleinen in meinem Alltag und durch meine Arbeit als Mentorin etwas daran zu ändern.

Warum ich mein Retreat an der Ostsee auf Gut Damp in diese hektische Zeit gelegt habe? Weil für uns selbst zu sorgen so viel wichtiger ist, als mit Sticker und Sternchen jede To-Do-Liste abhaken zu können. Zwei Plätze sind aktuell noch frei (diese Woche kannst du dich noch spontan anmelden), schreib mir gern an Sue@Suefengler.de oder Jana an Reservierung@gut-damp.de, wenn du dir einen der letzten Plätze sichern willst. Ich freue mich schon so unendlich auf unsere gemeinsame Ruhe-Insel in all der Endjahreshektik.

Bild: Sophie Wolter


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