Life at 30: „Iss doch mal mehr!” – immer diese Körperbewertungen

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Ich poste nicht gern Fotos wie dieses. Obwohl ich mit mir zufrieden bin und mir nicht mehr annähernd so wichtig wie früher ist, was andere von mir denken. Aber ich bin die Kommentare und Körperbewertungen einfach Leid.

Fun (oder „not so fun”) Fact: Mir wurde schon oft abgesprochen (sogar von Aktivistinnen für Female Empowertment), mich über Themen wie „Body Positivity” äußern zu dürfen. Weil ich ja so groß und dünn sei à la Barbie-Ideal und dazu noch wage mit Mitte 30 wenig Falten zu haben.

Aber machen wir uns nichts vor. Natürlich ist es bei uns Frauen (und leider vor allem in den Augen von anderen Frauen!) ein so schmaler Grat zwischen „dünn” und „zu dünn”, dass wir wie Hochseilkünstlerinnen darüber balancieren müssten.

Bei den Körperbewertungen, die – nicht nur online, sondern auch offline auf uns einprasseln – da sucht man eine Sinnhaftigkeit vergebens. Denn sowieso ist es ja völlig sinnfrei die Körper anderer Menschen (und oft anderer Frauen…) zu bewerten. Weil unser Körper ja nicht dazu da ist, irgendeinem gesellschaftlich geprägten Idealbild zu entsprechen. Sondern eigentlich in ganz anderen Bezügen unfassbar fantastisch ist (denk nur daran, was der Körper alles kann in Bezug auf unsere Gesundheit) und die äußere Hülle doch gar nicht so wichtig sein sollte. Überhaupt: wer bitte bestimmt eigentlich was schön und was nicht schön ist?

Und bei all dieser sinnlosen Bewertung des Aussehens in unserer Gesellschaft, da entbehren auch diese Körperbewertungen an sich jeglicher Sinnhaftigkeit. Schlank sollen wir Frauen sein. Aber nicht zu schlank. Ach und wenn wir dünn sind, dann sollten wir aber trotzdem recht große Brüste haben. So Mini-Brüste will ja keine*r sehen. Sowieso dürfen Brüste so einiges nicht: zu klein sein, hängen, unterschiedliche Größen haben, zu große Brustwarzen… Ein paar Kilo zu viel (wer hat hier eigentlich die Skala bestimmt?)? Abnehmen! Zu wenige Kilos? Zunehmen! „Da sieht man ja nur noch Rippen – die muss dringend mal was essen!” Haut muss glatt sein. Egal ob im Gesicht oder am Hintern oder an den Oberschenkeln. Pickel haben wir nicht zu haben. Und Körperbehaarung als Frau bitte auf keinen Fall. Die Haare auf dem Kopf müssen allerdings voll und glänzend sein.

So könnte ich noch ewig weitermachen.

„Iss doch mal mehr!”

Wenn ich für jeden „zu dünn” und „du solltest mal was essen” Kommentar in meinem Leben einen Euro bekommen hätte. Da wäre ganz schön was zusammengekommen.

Selbst als ich für meine letzte Kolumne ein kleines Story-Experiment machte, wurde das sofort wieder Thema. Und genau aus dem Grund hatte ich das Kolumnenbild hier oben bisher nicht auf Instagram und dem Blog gezeigt. Nicht, weil ich mir nicht darauf gefalle, sondern weil ich wegen der Körperhaltung und der Kleidung „besonders dünn” aussehe. Traurig, dass ich das sofort mitdenke, dass da mein Körper kommentiert wird, obwohl ich mir selbst gefalle und es mir körperlich gut geht (bis auf einen etwas empfindlicheren Magen als bei anderen, der mich aber eher dazu bringt ständig etwas zu essen).

Aber nicht nur online wurde mein Körper schon oft in diese Richtung kommentiert. Auch im „realen Leben” habe ich schon so oft verblüffte Blicke bei beruflichen Dinnern oder selbst innerhalb der Familie geerntet. „Man würde nie denken, dass du so viel isst, so wie du aussiehst.” Ich nehme solche Kommentare nicht böse, aber sie fallen mir trotzdem auf.

Weil ich schlank bin, wurde oft schon vor mir (und hinter meinem Rücken) analysiert, was und wie viel ich esse. Als müsse man à la CSI Miami mit einer krassen Recherche herausfinden, woran das denn liegt. Ein „vielleicht ist sie einfach so wie sie ist” kommt da nicht in den Sinn. Viel eher müsste ich es wohl irgendwie selbst in der Hand haben und wenn ich dann ein Eis mehr esse, dann bin ich wohl endlich nicht mehr „zu dünn”.

Ist es nicht verrückt, dass mir so oft von fremden Menschen (die nahestehenden wissen ja was und wie viel ich esse) gesagt wird, ich solle mehr essen, wenn ich eigentlich zu jeder Mahlzeit Kohlenhydrate esse, weil mir das am besten bekommt? Wenn ich seit Jahren, egal was ich esse oder nicht esse, ob ich viel oder wenig Sport mache mehr oder weniger einfach gleich aussehe. Wenn ich noch nie in meinem Leben eine Diät gemacht habe.

Ja, ich ernähre mich gesund (und das sollte ja wohl eher Lob als Kritik zur Folge haben). Aber gesund heisst nicht „wenig”. Genau so wie glutenfrei nicht low carb heißt (wer sich ein wenig damit beschäftigt, weiß, dass ich Reis, Kartoffeln, Maismehl usw. alles essen darf und esse). Wir Menschen sind eben unterschiedlich und jeder Körper geht auch individuell mit Nahrung um. Während ich eher morgens aufs Klo flitzen muss (oder auf Reisen auch mal mehrmals), geht es anderen Menschen genau andersrum. Während mein Körper scheinbar Kohlenhydrate braucht, um gut zu funktionieren, brauchen andere besonders andere Nährstoffe.

Während ich also „zu dünn” bin, um body positive zu sein, bin ich an anderer Stelle auch „zu dick” um Model zu sein. Oder habe „zu kleine Brüste” und müsste doch wohl dünn sein können und trotzdem mehr Oberweite haben. Ich müsste „zu wenig” essen, um so auszusehen wie ich aussehe. Und esse dann „zu viel”, was die Menschen um mich verwundert. Vielleicht bin ich auch einfach so wie ich bin?

Diese Körperbewertungen und diese Kommentare müssen endlich, endlich aufhören. Ja, ich schaue hier besonders auch uns Frauen an!

Die Influencerin Louisa Dellert hat vor kurzem bekannt gegeben, dass sie unter Depressionen leidet. Damit zusammenhängend gab es bei ihr auch eine Gewichtszunahme, die sie ebenfalls thematisiert. Und für dieses Zunehmen muss sie auf Instagram so viel einstecken.

Das finde ich besonders grauenvoll. Weil sich hier eine Frau geöffnet hat und über ihre mentalen Probleme spricht. Und dann kommen andere Menschen (besonders viele Frauen!) und machen sie dafür fertig, dass sie in einer unfassbar schwierigen Zeit ihres Lebens zugenommen hat. Was ist bitte mit den Menschen los?

Abgesehen davon, dass es niemandem zustehen sollte, den Körper anderer Menschen zu bewerten, ist das noch einmal eine besonders sensible Situation. Denn hier hat eine Frau mit viel Mut öffentlich gemacht, dass es ihr nicht gut ging und immer noch nicht geht. Und dann wird sie bitterböse angegangen, weil sie während es ihr mental so richtig mies ging auch einmal Dinge mit Essen kompensiert hat. Was völlig menschlich ist. Und statt ihr Sympathie entgegenzubringen und ihr Hilfe anzubieten bei ihrem weiteren Weg raus aus der Depression, da treten andere (auch viele Frauen!) auf sie ein, weil sie „sich gehen ließ äußerlich”. Mir fehlen absolut die Worte.

Obwohl… doch nicht: Diese Körperbewertungen müssen endlich, endlich aufhören! (Und das schreibe ich nach über einem Jahrzehnt bloggen leider nicht zum ersten Mal…)

Bild: Sophie Wolter auf Gut Damp – schau unbedingt mal auf der Retreat Seite vorbei, für das Retreat Ende November auf Gut Damp kannst du dir jetzt noch deinen Platz sichern!


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