Life at 30: Früher hätte ich mich vor allem über den Regen geärgert…

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Auf Hawaii, besonders auf Kauai, habe ich so viele Regenbögen gesehen, wie noch nie in meinem Leben. Und zwischendurch wurde ich ganz nachdenklich und dachte: „Früher hätte ich mich nur über den Regen geärgert…”.

Ich liebe die Natur. Ich bin gern am Strand und mir macht es nichts aus, „paniert” vom Sand zu sein. Es gibt für mich keinen schöneren Platz als am Meer. Aber ich bin keine richtige „Outdoor-Person”. Draußen bin ich am liebsten, wenn es warm ist. Und meine Fahrradsaison geht nur bis zum ersten Frost. Liegt sicherlich auch daran, dass ich Kälte und Regen beispielsweise oft mit Erkältung und Angst krank zu werden in Verbindung bringe und nur schwer davon trennen kann.

Das ist für dich vielleicht gut zu wissen, bevor ich dir von dem folgenden Erlebnis erzähle. Denn auf Kauai, da fuhren wir auf den Waimea Canyon hoch, um dort den großartigen Ausblick über die 22 km lange und 1000 m tiefe Schlucht zu genießen. Doch als wir beim „Grand Canyon des Pazifiks” ankamen, da tröpfelte es schon beim ersten Aussteigen. Wir fuhren weiter und stellten fest: Vor lauter Wolken und Regen konnte man das wunderschöne Rot und Grün des Canyons nicht einmal mit ganz viel Fantasie erahnen. Alles lag wie im Nebel.

Statt umzudrehen, beschlossen wir, den Weg bis zum Ende zu fahren. Vielleicht konnten wir das Wetter ja dort austricksen. Und kurz schien es auch so. Aber nur sehr kurz. Wir standen dort also im strömenden Regen und es war auch deutlich frischer als unten. Und wir mussten lachen, denn den Canyon konnten wir nicht einmal hinter der Wolkenwand erahnen. Egal. Wir liefen trotzdem bis an den Rand und drehten uns dann eben zur Meerseite um, auf der wir noch relativ viel erkennen konnten.

Und plötzlich: ein unfassbar großer Regenbogen. Wie aus dem Nichts. Den gesamten Bogen konnten wir sehen und im Hintergrund das Meer. Wir strahlten uns an, völlig nass rann das Wasser über meine Kapuze – im Hintergrund die wunderschönen Farben, die sich so stark von den grauen Regenwolken absetzten.

„Früher hätte ich mich vor allem über den Regen geärgert…”

Das dachte ich später kurz. Und es stimmt. Vor ein paar Jahren hatte ich noch einen anderen Blick. Und darüber nachzudenken macht mich auch etwas traurig. Ich war an schönen Orten manchmal so sehr „in meinem Kopf”, dass ich gar nicht wirklich im gegenwärtigen Moment war. Mitbekommen habe ich es schon. Aber wie ich da so im Regen stand mit einem riesigen Lächeln auf dem Gesicht. Das war anders.

Im Mentoring verwende ich oft den Begriff „Fokus”. Und damit meine ich keine erzwungene Positivität à la „Oh du hast dein Bein gebrochen, dann hast du ja jetzt Zeit zu lesen” (du darfst dich auch ärgern oder bemitleiden lassen, wenn du dir dein Bein brichst und musst nicht sofort die „Vorteile” hervorzaubern). Aber ich hätte an dem Tag auch easy den Fokus auf den „missglückten Canyon-Ausflug” legen können. Schließlich sind wir eine ganze Strecke mit dem Auto dorthin gefahren, um den Ausblick zu genießen. Um vor lauter Regen und Wolken nichts vom Canyon zu sehen (haben wir an einem anderen Tag nachgeholt).

Doch wir haben uns gefreut, dass wir diesen wunderschönen Regenbogen sehen konnten. Ich hatte zwar für die Reise ohnehin mit Regenjacke und wasserfesten Sneakern vorgesorgt, aber dass ich den Moment so frei und leicht genießen konnte, das freut mich trotzdem. Und wir sprinteten sogar noch ein zweites Mal auf der Rückfahrt raus und in den Regen, weil der Himmel dann noch etwas mehr aufriss und wir noch „mehr Meer” zum Regenbogen sehen konnten. Sieht nicht wie ein schneller iPhone-Schnappschuss (nach zwei Sekunden kam der Regensturm zurück), sondern irgendwie ziemlich nach KI oder Photoshop aus, oder?

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Ich war einfach im Moment und nicht im Kopf ganz woanders. Habe mich wie ein kleines Kind über die leuchtenden Farben des Regenbogens gefreut. Und wieder über die Erkenntnis: Wir sehen die Welt, durch unseren Filter. Legen den Fokus selbst. Ich kann also den Regenbogen über dem Meer bestaunen, oder mich gleichzeitig darüber ärgern, dass ich auf den Waimea Canyon gefahren bin, ohne den Canyon zu sehen.

So oft haben wir das Gefühl, und ich nehme mich da nicht aus, dass wir viel weniger selbst bestimmen und entscheiden können, als wir es tatsächlich in der Hand haben.

Ich wollte mich auf den Regenbogen konzentrieren und nicht auf den eigentlich missglückten Ausflug. Denn obwohl wir den Waimea Canyon an diesem Tag nicht genießen konnten, war das ein ganz besonders schöner, überraschender Moment. Und an den erinnere ich mich später mit großer Wahrscheinlichkeit viel deutlicher, als wenn alles „wie geplant geklappt” hätte.


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