Life at 30: Die „Einfach mal nichts tun”-Illusion

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Einfach mal nichts tun. Hach, diese Vorstellung. Herrlich! Aber irgendwie versuchen wir dann doch, jede Pause sofort zu füllen. Über die „Einfach mal nichts tun”-Illusion.

Der Alltag ist schnell. Oft viel zu schnell. Termine. Berufliche und private Verpflichtungen. Alles erledigen. Alles schaffen wollen. Und zwischendurch noch Zeit für uns selbst finden. Wir plumpsen abends völlig erledigt aufs Sofa. Wie herrlich das wäre, einfach mal nichts zu tun. Wenigstens für einen Tag. Ein paar Stunden. Vielleicht am Wochenende.

Und dann sind da so ein paar Stunden. Zum Beispiel im Flugzeug. Kein Versinken in den Insta-Stories der anderen, keine Termine, kein Zeitdruck. Und wir halten die Langeweile kaum aus. Weil wir es eigentlich gar nicht gewohnt sind, dieses „Nichts-tun”. Und irgendwie ist es dann doch nicht so entspannend, wie wir es uns ausgemalt hatten.

Die „Einfach mal nichts tun”-Illusion

Wir wünschen uns immer „einfach mal nichts zu tun”. Sind sogar enttäuscht, wenn etwas den scheinbar „freien” Samstag plötzlich zerstört. Aber wenn wir dann einmal eine Zeitspanne haben, in der auch nur eventuell Langeweile aufkommen könnte, dann ballern wir jede Sekunde total zu.

Ich habe oft das Gefühl, dass wir Langeweile gar nicht mehr aushalten können. Dass wir jede Pause sofort mit etwas füllen wollen. Sich Stille deshalb seltsam anfühlt. Dieser oft geäußerte Wunsch nach „einfach mal nichts tun” eine richtige Illusion ist.

Das Leben erscheint immer so schnell und vollgepackt zu sein. Aber nicht nur wegen des Jobs oder Verpflichtungen. Sondern auch, weil wir selbst dafür sorgen. Es scheint nie genug Zeit dafür zu sein, Freunde zu treffen oder Dinge zu unternehmen. Wochenenden sind genau so durchgetaktet wie Arbeitstage. Und dadurch sind wir es überhaupt nicht mehr gewohnt „einfach mal nichts zu tun”. Einfach zu sein. Wenn dann mal nichts ansteht, dann sorgen wir nämlich selbst sofort für Zerstreuung. Wann hast Du zum letzten Mal (selbst im Urlaub) so richtig in den Tag hineingelebt? Freie Zeit so richtig zugelassen, statt sie sofort füllen zu wollen?

Ich habe mich schon selbst dabei erwischt, wie ich mir nach einer eng getakteten Arbeitswoche am Wochenende diesen Tag mit „einfach mal nichts tun” so sehr herbeigesehnt habe. Und was habe ich dann gemacht? Die Wohnung aufgeräumt. Die Schubladen in der Küche neu organisiert. Weil ich ja gerade Zeit habe dafür. Musste es dringend sein? Ganz und gar nicht. Hat sich aber danach richtig, richtig gut angefühlt. Sogar viel besser als einfach nur auf der Couch zu chillen.

Belüge ich mich mit meinem Wunsch nach „einfach nur rumliegen und mal nichts tun” vielleicht selbst? Meine ich nicht vielmehr, meinen Tag so zu gestalten, wie ich gerade in genau diesem Moment Lust habe. Nicht von außen getrieben zu sein, sondern einfach das zu machen, wonach mir gerade ist.

Denn wie oft habe ich in der Vergangenheit schon festgestellt, dass ich besonders in stressigen Phasen das Gefühl hatte, ich müsse einen ganzen Tag im Bett bleiben. Oder möglichst ohne jede Bewegung auf dem Sofa liegen. Aber dann hat mich ein Ausflug aufs Land mit meinem Mann oder ein Treffen mit lieben Freunden und ihren Kids so viel glücklicher gemacht. So viel mehr erfüllt. Um mich zu entspannen und wohl zu fühlen, muss ich nicht regungslos rumliegen und alles von mir abhalten.

Wir sprechen so oft davon, dass wir „einfach mal nichts tun” wollen, aber das ist doch eigentlich eine Illusion.

Bild: Sophie Wolter


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