Life at 30: Als hätte jemand den Stecker gezogen

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Wie ein Zombie schlurfe ich durchs Home-Office. Als hätte jemand den Stecker gezogen. Wieso redet da nur niemand drüber?

Zombie-like laufe ich ganz langsam zum Schreibtisch. Also zumindest stelle ich mir das so vor, ich bin nämlich null jemand, der je auch nur eine Folge „Walking Dead” gesehen hätte. Alles dauert heute mindestens doppelt so lang. Eigentlich hatte ich doch so viel auf der Liste, aber stattdessen schlafe ich beim Mittagessen fast im Sitzen ein. Yoga heute? Eher eine halbe Stunde „Childspose” oder „Shavasana”.

Liegt es am Wetterumschwung? Am gefühlten Frühherbst in Hamburg, der mich ein paar Tage lang frösteln lässt, bis die Sonne wieder zurück kommt? Vielleicht zum Teil. Der größte Teil des „gefühlt gezogenen Steckers” hat allerdings einen ziemlich genauen Hintergrund: meine Periode.

Käme diese regelmäßig (hach ja), dann könnte ich die Uhr danach stellen, wenn meine Energiebalken auf einmal – zoooom – von 4 auf 1 runterfahren. Wie wenn Du durch einen Tunnel fährst und dabei auf den Handyempfang schaust. Zack. Mindestens zwei, drei Balken weg.

Früher, da dachte ich: Ich muss immer funktionieren. Drüber „wegpowern”.

Wird uns ja auch so beigebracht oder? „Die hat wohl ihre Tage” ist eine Beleidigung, die oft von einem Mann kommt, wenn eine Frau sich mal nicht so äußert oder gibt, wie es ihm gerade passt.

In mein Superwoman-Bild von mir (mehr dazu im eBook) hat es jahrelang auch absolut gar nicht gepasst, dass es da etwa alle vier Wochen diese Tage gibt, an denen ich nicht so „funktioniere” wie sonst. Nicht die gewohnte Energie und Power habe. Und selbst oft nicht das gewohnte Selbstbewusstsein.

Es auf „die Tage” zu schieben, auch nur vor mir selbst, kam mir sowas von unprofessionell vor. „Das musst Du einfach wegstecken.” Und wenn ich bei Social Media so um mich blicke, dann sehe ich da ohnehin nur die „Erfolge” der anderen. Einer nach dem anderen. Schön aneinandergereiht. Ohne wirklich Raum für Tage, an denen es nicht so läuft.

Dann habe ich einmal einen Vortrag einer Health-Trainerin gehört, die darüber sprach, wie wir die verschiedenen Zyklusphasen für uns nutzen können. Zum Beispiel eine berufliche Präsentation auf die Zeit des Eisprungs zu legen, weil wir da besonders viel Kraft und Ausstrahlung haben. Im ersten Moment kam mir ein „gesellschaftlich anerzogener” Gedanke à la „So ein Quatsch” in den Sinn. Bis ich mich mehr damit beschäftigt habe. Ein Buch über den weiblichen Zyklus zur Hand nahm. Und mich mal selbst richtig aktiv beobachtet habe.

An den Tagen kommt das große Zweifeln

Mir fiel auf: Wann immer ich ins große Zweifeln kam (egal über was – beruflich oder privat), hatte das so häufig einen sehr, sehr engen Zusammenhang mit meiner Periode. Und da „schieb ich jetzt nichts drauf”. Und ich „mache es mir definitiv nicht einfach”. Ich bin einfach nur realistisch und ehrlich.

Wir Frauen sprechen da gar nicht so offen darüber, denn es wurde uns seit jeher so beigebracht, dass man „das alles eben durchmacht”. Am besten heimlich, still und leise. Ohne murren und beschweren.

Aber was, wenn wir das alles als völlig normalen Prozess sehen. Viel bewusster wahrnehmen und anders damit umgehen?

Wieso nicht mal wirklich den Launch eines digitalen Produkts nicht auf Teufel komm raus „durchziehen”, egal was ist. Sondern im richtigen Zeitraum des Monats. Wieso nicht gerade den freien „Ich tu mir was Gutes und lass Arbeit Arbeit sein”-Tag auf genau die Zeit legen, in der wir ohnehin kaum Energie haben?

Für mich ist das Beschäftigen mit meinem eigenen Zyklus und „auf mich zu hören und nicht einfach egal was ist funktionieren zu wollen” ein absoluter Gamechanger gewesen. Also lasst uns offener darüber sprechen.

Bild: Sophie Wolter


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