Life at 30: „Ach, sind doch nur die Tage…”
In: Life at 30
Ich teile nicht immer jeden Aspekt meines Privatlebens. Aber diesen finde ich gerade wichtig. Aus mehreren Gründen. Also los.
Wenn du mir schon länger folgst oder hier mitliest, dann weisst du, dass es keinen täglichen Sue-Livestream online gibt. Nicht, weil das nicht funktionieren würde (denn das würde es). Sondern, weil ich mein Business anders aufgebaut habe und mich nicht als Social Media Influencerin sehe. Social Media ist Teil meines Jobs, aber es soll dort nicht ausschließlich um meine Person gehen.
Deswegen bleibt vieles auch privat. Und obwohl ich gern Dinge aus meinem Life at 30 teile, da seht ihr auch ganz viel nicht. Weil sich das für mich so einfach besser anfühlt und auch nicht mein berufliches Konzept ist.
Trotzdem ist es mir sehr, sehr wichtig auch online ab und zu daran zu erinnern, was wir eben oft nicht sehen. Denn wir vergessen nur all zu gern, dass das Geteilte kein hundertprozentiges Bild der Realität ist. Es ist eben ein Teil.
Am Dienstag zeigte ich erst einen Teil meines Tages (und empfahl einen tollen iPhone Foto-Workshop). Und dann lag es mir aber noch auf dem Herzen in meiner vorwiegend weiblichen Life at 30 Community einen weiteren Aspekt meines Tages aufzumachen.
Lasst uns offener sein…
Ich teilte, dass ich am Morgen des Tages kaum aus dem Bett aufstehen konnte. Nicht, weil ich gefeiert hätte (mit Mitte 30 feiere ich gefühlt nur noch ab und an auf Hochzeiten von Freunden haha). Ich bekam meine Tage. Über die Periode zu sprechen oder zu schreiben, ist leider immer noch nicht so völlig normal wie es sein sollte.
Und auch an meiner Einstellung zu den „Tagen” habe ich in den letzten Jahren sehr stark arbeiten müssen.
Ich mag normalerweise nicht diese „Hätten Männer das…”-Vergleiche. Aber in diesem Fall komme ich nicht umhin das zu denken. Denn im Patriarchat ist die Periode zu haben eben so „etwas Lästiges” über das man eher nicht spricht. Und das auch nicht richtig ernst genommen wird.
Als ich Teenagerin war, da waren die Tage peinlich oder zumindest unangenehm. Wurde ja aber sofort ohnehin von allen Seiten (ob Sex oder nicht) sofort die Pille verschrieben, also gab es für mich und für viele weitere junge Frauen „die richtige Periode” ja fast von Anfang an gar nicht. Unter „Tage” verstanden wir die Abbruchblutung unter der Pille. Und eigentlich war es da schon total beneidenswert, wenn wir hörten, dass bspw. Leistungssportlerinnen die Pille durchnahmen und dann gar keine Blutungen hatten. Als sei damit das „Problem Periode” einfach gelöst.
„Ach, sind doch nur die Tage…”
„Die hat wohl ihre Tage” war eine völlig normale Aussage (oftmals von männlicher Seite), wenn sich eine Frau laut Meinung anderer „zickig” (oder eben nicht wie von der anderen Seite gewünscht) verhielt.
Wenn Tampons oder Binden vergessen wurden, wurde heimlich geflüstert: „Hat jemand was dabei?”. Das übrigens längst nicht nur in der Teenagerzeit, sondern auch in den Zwanzigern. Am Tisch einfach zu fragen: Hat jemand eine Binde? Da wären wir lieber im Boden versunken vor Scham.
Kein Wunder, dass „Period Shaming” jetzt erst feministisch in den letzten Jahren langsam richtig aufgearbeitet werden musste.
Als ich mich am Dienstagmorgen vor Krämpfen wirklich kaum rühren konnte und die Wärmflasche null-komm-gar-nix half. Da sagte ich ein Interview ab. Ich hatte mich eigentlich sehr gefreut, von einer Zeitschrift interviewt zu werden. Aber ich konnte mir nicht einmal vorstellen, im Home-Office auf meinem Schreibtischstuhl für einen Zoom-Call Platz zu nehmen.
Ich erfand auch keine Ausrede, sondern sagte es einfach wie es ist und wir konnten den Termin verschieben.
„Das hätte ich früher niemals gemacht!” Das schoss mir durch den Kopf. Erstens hätte ich mich zu meinen Hamsterrad-Zeiten auf jeden Fall vor den Laptop gequält. Und wenn ich ihn hätte mit ins Bett nehmen müssen. Verschieben? No way! Und hätte ich vor ein paar Jahren mit mehr Selbstbewusstsein und einem anderen Verständnis abgesagt (bzw. um ein Verschieben gebeten), dann hätte ich eine Ausrede à la Halsschmerzen verwendet.
Warum? Weil uns doch immer beigebracht wurde, dass wir uns eben zusammenreissen müssen. Kann so schlimm nicht sein. Sind doch nur die Tage. Wir sind doch nicht wirklich (!) krank. Und eine Periode als Ausrede? Das wurde doch in Filmen früher viel zu oft ironisch dargestellt. So à la: Die will doch eh nur die Sportstunde in der Schule schwänzen und schiebt ihre Tage vor.
Ich habe nicht jedes Mal solche Schmerzen. Was sehr gut ist, aber was mich natürlich auch nicht „darauf einstellen” lässt. Aber mit Schmerzen, die mich nicht gerade auf einem Stuhl sitzen lassen, durch unsere männerdominierte Gesellschaft im Kopf zu haben „Ach stell dich doch nicht so an. So schlimm wird es schon nicht sein.”. Und dass wir deshalb innerlich noch heute im Jahr 2023 mit uns kämpfen, ob wir nicht doch lieber für mehr Verständnis etwas anderes vorschieben sollten. Das macht mich richtig wütend.
Und deshalb will ich, dass wir darüber sprechen. Ich will selbst auch das letzte bisschen Zurückhaltung verlieren. Ich wünsche mir, dass es menstruierenden Teenagern heutzutage nicht mehr so geht wie uns damals. Und ich wünsche mir, dass sie nicht erst über 30 erkennen, dass es völlig in Ordnung ist mit Schmerzen kürzer zu treten im Alltag. Ja, auch wenn es „nur die Tage” sind.
Bild: Sophie Wolter
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