Life at 30: Zuerst muss ich mich um mich selbst kümmern

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Es dauerte Jahre, bis ich es richtig begriffen habe: Zuerst muss ich mich um mich selbst kümmern.

Diese Kolumne wollte ich eigentlich schon einmal schreiben. Weil sie so wichtig ist. Und so persönlich. So ehrlich und so wahr. Es kam in der Woche dann aber ein witziges Thema dazwischen, ich glaube es war der Sprachnachrichten-Marathon.

Aber aufgeschoben bedeutet hier nicht, dass ich nicht jede Zeile dieser Kolumne so richtig fühle. Manchmal muss für solch persönliche Artikel, die direkt aus dem Herzen kommen, der passende Moment erst gefunden werden. Und jetzt ist er da.

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann passt das Thema auch wunderbar zum Less Stress Impuls „Nein sagen lernen” in diesem Monat. Denn, wenn ich an Selbstfürsorge denke, dann geht damit auch oft ein Nein sagen (zu anderen oder etwas) einher.

Zuerst muss ich mich um mich selbst kümmern

Diesen Satz habe ich vor ein paar Wochen genau so zu einer sehr guten Freundin gesagt. Das letzte Jahr mit unzähligen Umzügen und Ersatzwohnungen inmitten einer Pandemie-Ausnahmesituation steckt mir noch in den Knochen. Das ist in diesem Fall eine so passende Redewendung, dass ich es geradezu spüre.

Ich kann wirklich behaupten, dass ich wohl kein Jahr meines Lebens als mental so herausfordernd für mich empfand wie das letzte Jahr. Und ich bin aber froh, dass es mich zu diesem Zeitpunkt meines Lebens traf.

Denn besonders seit meiner Ausbildung ist mir vieles noch viel bewusster. Zum Beispiel, dass ich nur etwas geben kann, wenn ich auch etwas zu geben habe. Und dass ich an allererster Stelle bei mir selbst stehen muss.

Nein, das ist nicht egoistisch. Ich muss mich zuerst um mich selbst kümmern. Dann habe ich genug Kraft und Energie, um andere zu unterstützen. Aufgaben zu erfüllen, die an mich herangetragen werden.

Leider ist unser gesellschaftliches System anders aufgestellt. Gelobt wird der/die in der Anwaltskanzlei oder Redaktion, der/die erst abends um 23.30 Uhr nach Hause geht. Ganz egal, ob er oder sie in den Stunden nach dem eigentlichen Feierabend überhaupt produktiv sein konnte. Super ist die Frau, die Kinder und Job scheinbar spielend leicht vereint. Wer busy ist, der ist erfolgreich. Und wer Pausen einlegt schwach.

In meinen Zwanzigern dachte ich, dass ich immer „mitrennen” muss. Wirklich gefühlt rennen. Im Alleingang die Online-Redaktion nach Personalreduzierungen schmeissen. Klar, packe ich. Nebenbei noch meinen Blog weiter aufbauen. Bekomme ich schon hin.

Selbstfürsorge ist so ein langweiliges Wort, aber ein so wichtiges

Das eigentlich Schlimme: Viel zu lange habe ich es wirklich hinbekommen. Aber in den letzten Jahren habe ich zum Glück erkannt, dass ich mich immer zuerst um mich selbst kümmern muss. Und dass alles „hinzubekommen”, egal wie groß die Last ist, nicht der Sinn meines Lebens ist.

Selbstfürsorge ist nicht mein liebstes Wort der deutschen Sprache. Aber es ist eines der wichtigsten.

Denn ich will nicht durch mein Leben rennen. Selbst dann noch geben, wenn ich eigentlich nichts mehr zu geben habe.

Spoiler: Keiner der Menschen, für die Ihr Euch wegen etwas langfristig fertig macht, wird es Euch so danken, wie Ihr es verdient oder erwartet hättet.

Heute habe ich andere Prioritäten. Und eine ganz wichtige Priorität ist mein Wohlbefinden.

Natürlich bin ich weiterhin ehrgeizig und sage zu vielen interessanten Projekten „Ja” und nicht „Nein”. Gehe nicht egoistisch durchs Leben, sondern biete anderen meine Unterstützung an.

Aber wenn ich merke, dass ich eine Pause brauche, dann nehme ich mir die. Früher hatte ich selbst in meiner Selbständigkeit dann ein furchtbar schlechtes Gewissen. „Ich müsste doch am Schreibtisch sitzen, statt spazieren zu gehen oder mit einem Buch in der Sonne zu sitzen.”

Heute weiß ich: Diese Momente brauche ich, um mich aufzuladen. Energie zu tanken. Und auch Inspiration und Motivation für meinen Job. Geht es Euch nicht auch so, dass nach einem freien Tag oftmals die Ideen nur so sprudeln, wenn Ihr kreativ arbeitet?

Und noch viel weiter: Es sind oftmals diese kleinen Momente, die das Leben erst richtig lebenswert machen. Kaum jemand denkt am Ende seines Lebens daran, wie viel Geld er verdient hat. Man denkt an die schönen Erlebnisse, die oftmals einfach so „zwischendurch” gar nicht richtig wahrgenommen und geschätzt wurden.

In meiner Ausbildung zur Achtsamkeitstrainerin für Stressbewältigung sagte eine andere Teilnehmerin zu mir etwas, das mir viel bedeutete. „Wie toll, dass Du in Deinem Alter schon so weit bist.” So weit nämlich zu erkennen, worauf es wirklich ankommt. Und das ist nicht der Titel der auf Deiner Visitenkarte steht. Auch nicht, dass Du „Everybody’s darling” bist und es immer allen Recht machst. Und ganz bestimmt nicht darum, wie etwas nach außen hin auf andere wirkt oder aussieht.

In meinem Leben, da geht es als erstes immer um mich.

Bild: Sophie Wolter


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1 Kommentare

  • Annika

    12. März 2021 at 11:55

    Liebe Susan,

    toll, dass du dies ansprichst. Dieser vermeintliche Druck funktionieren zu müssen – immer höher, immer schneller – trieb mich vor ein paar Jahren kurz vor den körperlichen Kollaps. Das dringend nötige Umdenken eine ausbalancierte Selbstachtung zuzulassen fiel mir schwer und erfordert nach wie vor tägliche Übung. Doch nur so bleibt man in der Tat meines Erachtens produktiv, gesund und hat dauerhaft die Energie andere zu unterstützen. Dazu zählt in meinen Augen auch mal „Nein“ zu sagen und „jammern“ zu dürfen. Es wird immer jemanden geben dem es schlechter geht. Doch demjenigen nützt es nichts, wenn man selbst alles in sich hineinfrisst, davon letztlich ein Magengeschwür bekommt und nicht mehr fit ist, um dem anderen zu helfen. Natürlich sollte dies nicht in Selbstmitleid ausarten. Insgesamt denke ich, ist dieses Thema eine gesellschaftliche Herausforderung in Deutschland. Der Samen wird bereits in der Schulzeit gesät. Zumindest war es bei uns verpönt nach dem Abi nicht gleich in die Ausbildung zu starten, sondern „einfach nur zu reisen“ für ein paar Wochen/ Monate (auch wenn man sich das Geld dafür selbst verdient hat). Und die Ausbildung zu wechseln, weil man feststellte, dass Thema B besser den eigenen Stärken und Interessen entspricht galt als plan-und ziellos. Im Job heißt es dann „na heute halber Tag“, wenn man um 18Uhr geht oder „vllt kannst du Position XY übernehmen, aber vorher musst du mindestens neben Projekt A B& C noch D,E&F alleine stemmen.“ Der vermeintliche Erfolg einer Person wird meist an fixen Parametern gemessen: Arbeitszeiten, Anzahl Projekte, Geradlinigkeit eines Lebenslaufes; nicht an Effizienz der Aufgabenbewältigung, Erfahrungen aus den Ausbildungen und dem Blick über den Tellerrand hinaus.
    Indem man insgesamt mehr darüber spricht und diskutiert (so wie du mit deiner Kolumne), ist meiner Meinung nach wichtig um zu einem Umdenken in der Gesellschaft von innen heraus zu führen. Meiner neugeborenen Tochter will ich auf jeden Fall mitgeben, dass eine gesunde, ausbalancierte Selbstachtung immer der erste Schritt sein sollte.

    Antworten

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