Life at 30: Wir scrollen durch Momente. Und verpassen unsere eigenen.

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Als ich bei mir in Hamburg um den kleinen Weiher spazierte, da fiel mir etwas so sehr ins Auge, dass mir die Tränen kamen. Wir scrollen auf dem Handy durch Momente anderer. Und dabei verpassen wir unsere eigenen.

Ich laufe fast täglich meine Runden um den Weiher. Mal nur eine, aber oft zwei, oder drei. Denn wenn ich erst einmal dabei bin, dann merke ich wie gut mir das Spazieren tut. Meistens habe ich kein Handy dabei. Laufe einfach. Und im Kopf sind natürlich erst einmal tausend Gedanken, die mit jeder Runde weniger werden.

Vor Kurzem ist mir etwas so sehr ins Auge gestochen. Alle Menschen, an denen ich vorbei kam und die auf den Bänken saßen, haben mich gar nicht vorbeilaufen sehen. Sie hatten den Blick aufs Smartphone gerichtet. Wirklich ausnahmslos alle und das in der gesamten Zeit als ich da meine Runden drehte. Das ist mir noch mehr aufgefallen, weil direkt mehrmals ein Hund erwartungsvoll zu seinem Menschen sah. Wartend. „Spiel mit mir.” Das drei Mal auf meiner kurzen Park-Runde zu sehen, das hat etwas mit mir gemacht.

Wir scrollen durch Momente. Und verpassen unsere eigenen.

Ich sage nicht, dass ich nicht oft am iPhone bin. Gerade bevor ich angefangen habe, das hier zu schreiben, habe ich gefühlt Stunden im Zug bei Instagram verbracht. Ich liebe den Austausch den uns die sozialen Medien bieten und die Möglichkeiten euch durch mein Smartphone quasi direkt zu erreichen. Mein iPhone ist eines meiner wichtigsten Job-Tools.

Aber ich nehme mein Handy bewusst nicht mit zu meinen Spaziergängen. Mir ist aufgefallen, dass es mir einfach guttut. Nicht erreichbar zu sein. Nicht einfach automatisch Mails zu checken, selbst wenn ich nur 20 Minuten draußen im Park bin. Nicht alles zu fotografieren, sondern einfach so hinzusehen.

Und seitdem passieren solch schöne Momente. Ich interagiere mit den Menschen um mich herum. Lächele einer Mutter zu, deren Kind strahlend den Enten hinterherläuft. Nehme die Sonne auf dem Gesicht viel mehr wahr. Schaue jemandem beim Boule spielen zu. Bin wirklich da.

Hätte ich mein Handy im Park auch nur stumm gestellt in der Tasche dabei, ich würde es bei jeder Runde doch wieder herausholen. Kurz eine WhatsApp tippen. Automatisch dabei die Mails checken. Die Sonne auf dem Wasser als Video festhalten und durch den Screen sehen, statt einfach so. Das weiß ich und deswegen setze ich mir selbst Smartphone-Grenzen. Lasse es beim Spaziergang auch mal zu Hause. Oder lege es beim Abendessen mit Freund:innen nicht auf den Tisch (auch nicht mit Display nach unten). Auch im Job bleibt es manchmal im andern Zimmer, wenn ich nicht abgelenkt werden will. Und im Schlafzimmer war es schon lange nicht mehr, weil ich sonst morgens automatisch als erstes danach greife.

Hier geht es nicht um die eine „Digital Detox Woche” oder ums Smartphone Verteufeln, sondern um ein Bewusstsein – beim „Handy in die Hand nehmen”. Und das ist der Unterschied.

Weil ich nicht mehr nur scrollen will und um mich herum alles verpassen.

Bild: Sophie Wolter


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