Life at 30: Wir müssen auch Unbequemes aussprechen
In: Life at 30
Normalerweise vertrete ich „erst einmal tief durchatmen und bis zehn zählen”. Aber diese Kolumne schreibe ich auch mit ein wenig Wut im Bauch. Wieso schafft es niemand mehr Unbequemes auszusprechen?
Über diese neue „Unverbindlichkeit” sollten wir auch einmal reden. Dass Termine nicht mehr fest sind und wenn man sich einen Tag vorher kurz rückversichern will ein „Ach nee, du sorry, passt doch nicht” kommt. Aber das ist nochmal ein anderes Thema, das aber vielleicht auch etwas mit dem zu tun hat, das ich gerade ansprechen will. Dass häufig lieber gar nichts gesagt wird, als etwas Unbequemes auszusprechen.
Wir müssen auch Unbequemes aussprechen – dringend
Diese Woche habe ich beschlossen, dass ich die Person sein werde, die im Job statt fünf Mails zu schreiben und ewig auf eine Antwort zu warten, jetzt wieder ganz oldschool anrufen wird. Haltet euch fest Generation Z. Ich greife dann einfach zum iPhone und rufe demnächst in der Agentur an. Weil ich keine Lust mehr habe, nach einem fest ausgemachten und in mehreren Mails festgezurrtem Auftrag eigentlich nur auf das Briefing zu warten und dann nach mehreren Mails und viel Stille auf der anderen Seite endlich eine Antwort zu bekommen. Weil irgendetwas verschoben oder abgesagt wurde und man lieber einfach gar nichts sagt, als es aktiv anzusprechen. Das wird aber wahrscheinlich zur Folge haben, dass niemand in der Digitalbranche mehr mit mir arbeitet, weil man nicht damit umgehen kann, mir am Telefon zu sagen, wenn etwas bei einem Projekt dazwischenkommt oder verschoben werden muss. Zu unbequem, um es auszusprechen.
Sarah hat vor kurzem sehr treffend über dieses berufliche Ghosting im Job gesprochen und vor zwei Jahren schrieb ich schon in einer Kolumne, dass ich mir so sehr wünschen würde, dass wir einfach „sagen wie es ist”.
Was ich mich ehrlicherweise frage: Ist es für die Person, die einen einfach ignoriert, nicht selbst viel nerviger, wenn sie zig Mails bekommt, die sie ja dann sieht, aber einfach nicht beantwortet? Als einen Zweizeiler zu schreiben und mal eben kurz etwas Unbequemes zu äußern (dafür aber das ständige Nachfragen zu beenden)?
Während ich das hier schreibe, geht übrigens gerade eine Mail von einer möglichen Business Partnerin ein. Sie bittet mich noch um etwas Geduld, weil sich unser mögliches Projekt zeitlich verschiebt. Sie schreibt nicht auf meine Nachfrage. Einfach so, um mich über den Prozess informiert zu halten. Hach, es könnte alles so einfach sein.
Aber es geht mir hier nicht nur um die Arbeit…
Ich habe in meinem Umfeld auch bei Freundschaften schon mitbekommen, dass sich eine Freundin lieber nicht mehr bei einer anderen meldete, statt etwas einmal auszudiskutieren.
Wir können doch auch einmal nicht einer Meinung sein und über etwas diskutieren. Da wird eher das Ende einer Freundschaft in Kauf genommen, weil sie sich dann im Sande verläuft, als einmal ehrlich über etwas zu sprechen?
Oder wie vorhin angesprochen, bei Verabredungen lieber erst nach Rückfrage kurz vor knapp zu sagen, dass es nicht klappt, statt einfach ehrlich von sich aus zu sagen, dass es gerade nicht gut passt? Ganz ehrlich: Das finde ich respektlos und umgebe mich dann lieber mit anderen.
Wenn das der Trend ist, dass wir lieber schweigen, ignorieren und ghosten als ehrlich zu sprechen oder zu diskutieren, dann finde ich das wirklich furchtbar. Liegt das daran, dass wir vermehrt digital miteinander schreiben und gar nicht mehr face-to-face miteinander reden und es dann als „der einfachere Weg gesehen wird”?
Wo kommen wir dann da hin, auch wenn es um Themen wie die Politik geht? Wenn andere dann nicht unserer Meinung sind, dann sprechen wir nicht miteinander, argumentieren oder lernen vielleicht voneinander. Wir bleiben stattdessen in unserer Bubble, weil alles andere zu unbequem ist?
Wir müssen über Unbequemes sprechen. Egal in welchen Bereichen. Lernen den Moment, der sich nicht so gut anfühlt, kurz auszuhalten, statt alles, was sich nicht nach weicher Kuscheldecke anfühlt einfach zu vermeiden.
Jemandem etwas ins Gesicht zu sagen, das ist es ja in unserer digitalisierten Gesellschaft häufig nicht mal. Obwohl mir das so viel lieber wäre als dieser Ghosting-Eiertanz. Wie ich 2022 schrieb: Einfach mal sagen wie es ist!
Schreib die WhatsApp. Schreib die Mail. Sag es der anderen Person direkt. Hin zu einer Ehrlichkeit, die vielleicht auch mal kurz unbequem ist, weg von diesem ganzen Ghosting.
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