Life at 30: Über Umgangsformen

In: Life at 30
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Nein, hier geht es nicht darum, dass man Menschen nicht einfach eine Ohrfeige geben sollte (Ach, Will…). Es geht um Respekt und um Umgangsformen, die ich auch beruflich vermisse.

Wusstest Du, dass mit „Umgangsformen” im Deutschen automatisch „gute Umgangsformen” gemeint sind? Habe ich gerade recherchiert und finde ich interessant. Sagt schon irgendwie: Du solltest Dich entsprechend benehmen. Sogar das Wort ist so ausgelegt.

Heute geht es nicht darum, dass man – weder auf einer öffentlichen Bühne, noch im Privaten – Ohrfeigen verteilen sollte. Obwohl das natürlich auch sehr aktuell zu dieser Life at 30 Kolumne passt, was Will Smith da bei den Oscars als gerechtfertigte Antwort auf Chris Rocks schlechten Joke ansah.

Es geht um Umgangformen, die ich hier so häufig vermisse. Was ich damit meine?

Ich verstehe, dass die letzten beiden Jahre uns allen auf die ein oder andere Weise zugesetzt haben. Ganz ehrlich: Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dass hinter der Oscar-Ohrfeige so, so viel mehr steckt (denn auch Stars sind Menschen mit mentalen Problemen).

Aber manchmal da erschrecke ich sehr, wie der Umgang untereinander heute fast in einer Regelmäßigkeit in Respektlosigkeit abdriftet.

Ich könnte da jetzt Social Media Kommentare anbringen, die so bodenlos frech sind, weil alle denken, Personen, die etwas öffentlich preisgeben bis aufs Tiefste angreifen zu dürfen. Ohne verbalen Mundschutz.

Es geht mir aber auch um Alltagssituationen. Zum Beispiel als wir mit dem Auto langsam aus einer verkehrsberuhigten Straße kommen und anhalten, um Fußgänger über die Straße (ohne Zebrastreifen!) zu lassen. Und dann wohl nicht schnell genug angehalten haben (obwohl wir eigentlich einfach hätten fahren dürfen). Denn – zack – landet ein prall gefüllter Jutebeutel auf unserer Motorhaube mit einem Schlag. Da frage ich mich ernsthaft: „Geht’s noch?”

Ich könnte hier auch von Freundinnen im Life at 30 erzählen, die nach einem ausgemachten Date via App und vielen, vielen Konversationen vorher, plötzlich einfach „geghostet” werden.

Aber Auslöser dieser Kolumne heute waren fehlende berufliche Umgangsformen

Denn ich habe mich zum x-ten Mal geärgert. Und zwar über fehlende berufliche Umgangsformen.

Dass ich in die Influencer-Schublade gesteckt werde und teilweise ganz platte und sehr „quietschige” Mails bekomme, die selbst an einen Teenie gerichtet respektlose Sprache anmuten. Das meine ich damit noch nicht mal. (Zum Glück habe ich durch meine jahrelange Arbeit meist Kontakt mit Kunden und Partnern, die mit mir auf Augenhöhe kommunizieren.)

Ich meine vor allem, sich einfach nicht mehr zu melden via Mail. Das passiert in meiner Branche so oft (und nicht nur mir). Egal ob es eine von der Agentur vorgeschlagene Kooperation war. Oder vor Kurzem sogar eine bereits ausgemachte Zusammenarbeit (bei der sogar das Honorar schon freigegeben war).

Sich in beruflichen Konversationen – auch wenn sie easy per Mail stattfinden – einfach nicht mehr zu melden ist in meiner Branche schon so normal, dass sich meine Kolleginnen und ich gar nicht mehr über jede einzelne Situation aufregen. Aber ganz ehrlich: Würde ich so arbeiten, wäre meine Selbständigkeit ganz bestimmt nicht so erfolgreich verlaufen wie bisher. Gerade in einer Kommunikationsbranche ist es doch so essentiell auf Augenhöhe und fair miteinander zu kommunizieren.

In meinem Jahrzehnt als Bloggerin hatte ich sogar schon Fälle, da habe ich jede Woche noch einmal eine Mail geschickt mit der Nachfrage nach einem Feedback. Bis es mir nach vier Mails dann doch zu blöd wurde. Oft steckt vor dem „Mail-Ghosting” auch ein nicht unerheblicher Aufwand an Konzeptionierung/Absprachen. Zeit, die einfach verschwendet wurde.

Ich würde mir so sehr die von mir häufig angesprochene Ehrlichkeit wünschen. „Unsere Kommunikationsstrategie hat sich leider geändert, deshalb können wir die Zusammenarbeit leider doch nicht realisieren.” Es hat mich exakt zwanzig Sekunden gekostet, diesen Satz zu tippen. Zwanzig Sekunden. Und das ist noch der „Ausweichsatz”, der eigentlich gar nicht so richtig ehrlich ist.

Was mir im digitalen Alltag fehlt: Ein in wenigen Sekunden herunter geschriebener „Zweizeiler”. Egal ob privat „Sorry, ich will mich doch nicht mehr treffen. Habe jemand anderen kennengelernt – Sei mir bitte nicht böse.” Oder in meiner Branche vor allem beruflich. „Entschuldige, die Kooperation kommt jetzt doch nicht zustande (Bonuspunkte gibt es für ehrliche Gründe!). Wir hoffen, wir finden in der Zukunft einmal zusammen.”

Dauert nur wenige Sekunden. Ist nicht schwer. Aber doch einfach angebracht.

Und offline: Einmal kurz durchatmen. Innehalten und nicht sofort auf etwas reagieren. Und bitte nicht alles einfach an anderen auslassen.

Ein bisschen mehr „R-E-S-P-E-C-T”! (Den Ohrwurm gibt es als versöhnlichen Abschluss zum Wochenende jetzt noch dazu.)

Bild: mit Canva erstellt


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