Life at 30: Mehr sein und weniger werden

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In den letzten Jahren hat sich in mir etwas grundlegend geändert. Ich versuche es heute einmal in Worte zu fassen. Mehr sein und weniger werden ist als Titel schon sehr passend.

Vor ungefähr einem Jahr schrieb ich eine Kolumne mit der Überschrift „Worauf leben wir hin?”. 2019 als mein Leben noch von monatlichen Reisen und Terminen geprägt war, bevor 2020 plötzlich so viel still stand. Selbst am Ende eines so aufregenden Jahres mit zahlreichen Erlebnissen und unglaublichen Traumjob-Highlights da stellte ich mir diese Frage.

Das Jahr 2019 war geprägt von einigen der aufregendsten und schönsten Reisen meines Lebens. Marrakesch hatte mich sehr berührt, verzaubert und auch verändert und ein US-Roadtrip mit meinem Mann war einfach nur großartig. Zudem habe ich eine riesige Beauty-Kampagne in einer James-Bond-Villa direkt am Meer in Barcelona fotografiert. Und hatte ein spannendes Interview mit ProSieben Taff mitten in New York City auf meinem geliebten Highline Park.

2020 konnte ich dagegen kaum realisieren, was mein Leben bisher so spannend und ereignisreich machte. Außerdem kam ich mit der Wohnungssituation und einem gesundheitlichen Problem oft an meine Grenzen. Und gerade da lernte ich selbst die kleinsten Dinge noch mehr zu schätzen. Die Herausforderungen und Unsicherheiten dieses Jahr haben mich noch mehr zum Nachdenken gebracht.

Mehr sein und weniger werden

Nach dem Jahr 2019 mit all seinen Highlights, da merkte ich: Egal wie viel wir erleben und erreichen. Wir streben immer nach mehr. Mehr Erfolg, mehr Erlebnisse, mehr Geld. Das motiviert natürlich dieses „immer mehr wollen”. Aber wir verlieren dabei auch etwas.

Und gerade das so häufige Innehalten in diesem Jahr hat mich das Jahr 2019 im Rückblick noch viel mehr schätzen lassen. So oft habe ich an die tollen Reisen gedacht. Und mir sogar mit Accessoires beispielsweise Marrakesch-Vibes in die jetzt neu einzurichtende Wohnung geholt. Ganz ehrlich: Wäre es genau so rasant und ereignisreich in diesem Jahr weitergegangen. Ich glaube, ich wäre vor lauter „Was kommt als nächstes?” gar nicht so sehr in der Lage gewesen, all die tollen Erlebnisse so zu reflektieren und wertzuschätzen.

Was ich daraus gelernt habe? Ich will noch mehr im Moment leben. Mehr sein. Nicht heute sofort an morgen denken. Ich freue mich darauf, wieder mehr zu erleben. Auch außerhalb Hamburgs. Aber ich will besonders darauf achten, dass ich das Erlebte nicht so schnell „abhake” und schon an das denke, das als nächstes kommt. Ich freue mich, wieder mehr von meinen selbst gewählten Lebensinhalten zu genießen, die ich so sehr schätze. Wie zum Beispiel mehr von der Welt zu entdecken. Aber ich will mir auch die Zeit zur Reflektion nehmen. Bewusster im Moment sein.

Nicht immer nur rennen, sondern anhalten und genießen

Wir sind so oft gefangen in unserer ganzen Selbstoptimierung und dem Ehrgeiz, dass wir geradezu durch unser Leben rasen. Selbst dieses Jahr habe ich mich einige Male dabei erwischt, wie ich bei jedem tollen Job (Danke, dass dieses Jahr so lief wie es lief, das konnte man wirklich nicht erwarten) an den nächsten dachte.

Einige der schönsten Momente aus den letzten Jahren sind aber die, die ich so ganz bewusst erlebt habe. Der Moment, als ich am Hochzeitstag ganz allein oben im Schlosshotel am Fenster stand und alle Freunde unten im Garten beobachtete. Diese eine berufliche Traumreise nach New York, als ich in einem ganz besonders schönen Hotel nachts mit Blick auf die Lower East Side noch in die Badewanne stieg und die glitzernden Lichter beobachtete. Oder der Tag dieses Jahr am Deich inmitten von Schafen, zu dem mich mein Mann überredete, als es mir nicht gut ging.

Ich finde, dass wir oft so sehr damit beschäftigt sind „zu werden”. Immer besser. Dabei sind wir schon sowas von gut genau so wie wir sind. Früher jagte ich Job-Titeln hinterher. Wurde Online-Leitung statt Online-Redakteurin. Heute ist mir das nicht mehr wichtig. Weil ich auch weiß: Egal was wir erreichen, wir wollen doch immer mehr. Ich will nicht mehr durch das Leben rennen. Natürlich entwickle ich mich weiter, aber in meinem Tempo und in meine Richtung. Mit meinem inneren Ehrgeiz, in einer Branche aus Like-Zahlen und in unserer Gesellschaft ist das nicht immer einfach. Aber ich will hier sein und nicht auf etwas „hin leben”. Ich will nicht am Ende meines Lebens außer Puste sein.

Das war bisher ein jahrelanger Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist, an dessen Ende aber mein ganz persönliches Glück steht.

Bild: Sophie Wolter


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