Life at 30: Kein Alkohol und endlich kein „Oha, willst du uns was sagen?”

In: Life at 30
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Ich war am Wochenende auf einer Hochzeit. Und da ist mir etwas so richtig positiv aufgefallen. Irgendwie ist es aber auch bescheuert, dass mir das positiv auffällt. Naja. Ich sag es mal so: Endlich mal kein „Oha, willst du uns was sagen?” weil ich keinen Alkohol getrunken habe.

Gerade habe ich nachgesehen in den alten Life at 30 Kolumnen. Am 16. Februar 2018 schrieb ich da „Warum muss man sich immer dafür rechtfertigen, wenn man mal keinen Alkohol trinkt?“. Du kennst das vielleicht: Ab 30 wird man noch kritischer beäugt. Scheinbar wird ständig auf etwas gewartet. Eine Hochzeitseinladung. Die Verkündung einer Schwangerschaft. Besonders bei Letzterem kommen meist von dir beinahe völlig fremden Menschen (à la die Freundin der Kollegin deiner Mutter) die unangebrachtesten Nachfragen. „Naaa, wann ist es denn soweit?”

Wenn ich auf einer Veranstaltung oder einer Feier zum Wasser griff statt zum Sektglas, hörte ich nicht nur einmal in den letzten Jahren „Oha, willst du uns was sagen?”. „Nein, liebe Wie-heisst-du-nochmal, ich wollte auf einem beruflichen Event mit dem Griff nach dem Wasserglas keine Unterhaltung über meine Fruchtbarkeit lostreten. Danke.”

Aber nicht nur in Bezug auf die Schwangerschafts-Vermutung musste ich mir schon oft etwas anhören, wenn ich keinen Alkohol trank. „Ach komm schon, einen kannst du ja wohl mittrinken.” „Spaßbremse!” Alkohol scheint in unserer Gesellschaft mit Spaß und Ausgelassenheit gleichgesetzt zu werden. Und nicht selten hatte ich den Eindruck als würden sich Menschen persönlich irgendwie angegriffen fühlen, weil ich keinen Drink nehmen wollte. Selbes Prinzip wie bei der Bekannten, die immer gesund isst, während man selbst den XL-Burger vor sich rechtfertigen muss? Ich weiß nicht woran es liegt. Aber ein „Für mich bitte eine Apfelschorle” führte schon häufiger zu Augenrollen beim Gegenüber als hätte ich gerade offenbart die AFD ganz cool zu finden (igitt, niemals!).

Kurz zur Erklärung: Ich trinke sehr selten Alkohol. Das liegt nicht ausschließlich daran, dass ich mich bewusst ernähre (aber auch). Ein leckerer fruchtiger Rosé an einem Sommerabend mit Freunden. Ein Bailey’s mit der besten Freundin beim Mädelsabend. Oder ein von meinem Dad gemixter Manhattan. Das trinke ich ab und an eigentlich sehr gern. Aber sehr selten und maximal alle paar Monate mal. Denn aus meiner Hamsterrad-Stress-Zeit mit vielen Magentabletten (viel zu lange, Danke Doc) habe ich auch jetzt Jahre später noch immer mal wieder einen empfindlichen Magen. Da ist mir das Essen, das ich gern genießen möchte, dann einfach wichtiger als der Drink dazu. Und ich bin auch mit einem Eistee im fancy Restaurant im Urlaub wahnsinnig happy. (Ich bin ja für natürlich gesüßte Eistees in jedem Restaurant – aber mich fragt ja niemand.)

Mir macht der häufige Verzicht auf Alkohol nicht viel aus, wenn es bedeutet, dass es mir dafür gut geht. Was aber richtig nervig ist, ist dass es so selten einfach akzeptiert wird. Und es auch schon recht häufig so dargestellt wurde, als könne man mit der Person, die nicht trinkt, dann auch nicht richtig feiern oder Spaß haben.

Kein Alkohol und endlich mal kein „Oha, willst du uns was sagen?”

Am Wochenende sagte ich abends um halb 12 zu meinem Mann auf der Hochzeit: „Weißt du was so richtig schön hier ist? Dass ich nicht tausend Fragen beantworten muss, warum ich nichts trinke.” Das ist mir bei der Hochzeit so richtig aufgefallen. Und das, obwohl ich nur wenige Menschen dort kannte (meist kommen nervige Fragen oder Bemerkungen ja nicht vom engsten Kreis – die kennen mich ja).

Als ich ein Shotglas, das in einer Gruppe auf der Tanzfläche ausgeteilt wurde, nicht annahm. Da kam keine blöde Bemerkung à la „Ach komm schon” oder ein „Oh, schwanger?”. Nö. Einfach ein Nicken und es wurde weitergereicht. Wie unheimlich angenehm!

Aber wie traurig auch, dass mir das überhaupt so positiv auffällt, oder?

Vor Kurzem hat meine ehemalige Grazia-Kollegin Aminata auf Instagram von ihrer „Kein Alkohol”-Challenge erzählt. Sie ist noch ein paar Jahre jünger als ich, aber mittlerweile auch im Life at 30. Hat aber auch jüngere Followerinnen. Und ich dachte: Wie cool, dass sie kommuniziert, dass es auch ohne Alkohol geht. Sogar Vorteile darin sieht, mal eine Zeit lang nichts zu trinken. Werbung für Alkohol sehen wir dauernd, das war mal „Werbung für keinen Alkohol” und war deshalb so erfrischend wie Kokoswasser im Hochsommer.

Ich hoffe es findet endlich mal ein Umdenken statt. Damit meine ich nicht, dass jetzt nie wieder jemand einen Drink bestellen soll. Oder dass ich nicht mehr so richtig genüßlich meinen Schluck Bailey’s genieße, wenn ich mal Lust drauf habe und der Magen es aushält. Ich hoffe nur, dass es – wie am Wochenende auf der Hochzeit – einfach auch so easy akzeptiert wird, keinen Alkohol zu trinken. Nicht, weil ich die Sprüche nicht „abkann”. Sondern, weil ich es einfach schön finde, wenn ich mir beim Griff zum Wasser nicht schon überlegen muss, ob ich den blöden Kommentar jetzt „weglächeln” soll oder etwas verbal zurück schmettere. Und weil das bedeuten würde, dass ich auch nur noch halb so häufig mit Mitte 30 gefragt werden würde, ob ich schwanger sei. Was sowieso die unnötigste Frage aller Zeiten ist.

Lasst uns auf dieses positive Zukunftsszenario anstoßen: Cheers!

P.s. Meine liebe Freundin Sarah hat vor einiger Zeit auch eine sehr lesenswerte Kolumne zu dem Thema geschrieben. Lies mal hier.

Falls du dich in meinen Life at 30 Kolumnen wieder findest, dann lies unbedingt auch mein eBook „Namastay Yourself – Weg vom Erwartungsdruck im Life at 30″. Und schau dir auch gern mein Life at 30 Mentoring und meine Retreats an (es sind schon über die Hälfte der Plätze für November auf Gut Damp weg!).

Foto von Mathilde Langevin auf Unsplash


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