Life at 30: „Das kommt schon noch…”
In: Life at 30
In den letzten Wochen wurde ich wieder gleich zwei Mal „Tante Sue”. Und da kam mir dieses „Das kommt schon noch…” in den Sinn.
Am 7. Juni 2019 schrieb ich hier in der Life at 30 Kolumne: „Und was wenn ich nie ein Kind will.” Eine sehr, sehr ehrliche Kolumne. Ich glaube bis zu dem Zeitpunkt damals meine ehrlichste. Die Resonanz war darauf sehr unterschiedlich. Von Verständnis, dass ich die Kinderfrage mit Anfang 30 nicht mit Sicherheit beantworten konnte. Über Unverständnis à la „Aber willst Du allein alt werden?”. Bis zu „Ach, das kommt schon noch…”.
Jetzt werde ich in etwa einem Monat 35 und warte noch immer auf dieses „Das kommt schon noch…”
Am Sonntagnachmittag war ich im Glück. Weil wir liebe Freunde besucht haben und ich wieder einmal „Tante Sue” wurde. Inklusive Fläschchen geben. Ein so besonderer Moment. Und gerade diese Woche erfuhr ich, dass eine weitere sehr enge Freundin ihren Sohn zur Welt brachte. Die mit ganz viel Liebe und Freude ausgesuchten Geschenke warten hier schon und ich kann sie von meinem Schreibtisch, während ich tippe, hier sehen.
Das Kinderthema war in den letzten zwei Wochen sehr präsent. Und dann sah ich auch noch „From Scratch” auf Netflix, wo es zeitweise auch sehr stark um den Wunsch nach einem Kind ging, der als die absolute Erfüllung erschien.
Ich freue mich mit meinen Freundinnen so sehr mit. Ich habe diese neuen, kleinen Menschen schon so lieb, selbst wenn ich sie noch gar nicht auf dem Arm gehalten habe. Früher dachte ich, als wir in unserem Leben kein Kind sahen, auch ein wenig „Das kommt schon noch…”. Wenn ich dann die Kinder von Freundinnen im Arm habe. Wenn wir älter werden. Wenn wir uns beruflich gefestigter fühlen. Wenn wir mehr gereist sind. Wenn wir auf einmal morgens aufwachen und auch dieses Gefühl haben: „Das Größte und Schönste zu unserem Glück, wäre jetzt ein Kind.”
In meinen Kolumnen spreche ich immer sehr oft von mir. Natürlich geht es hier immer um beide. Es ist nicht so als gäbe es über Themen wie Hochzeit, Kinder etc. nicht viele, viele private Gespräche in der Partnerschaft. Und wir sind uns da hundertprozentig einig, aber ich schreibe hier nun einmal und außerdem ist es für Frauen in unserer Gesellschaft noch viel, viel sagen wir „ungewöhnlicher” mit Mitte 30 keinen Kinderwunsch zu haben.
Ohne Kinderwunsch als Frau Mitte 30 fühle ich mich manchmal wie ein Alien.
Ich bekomme – vor allem auf Social Media – auch viel von den nicht so schönen Seiten der Mutterschaft mit. Aber ich kann nicht sagen, dass das der „Grund” ist. Überhaupt finde ich einen Grund herauszukristallisieren sehr schwierig. Schließlich spielt (nicht nur bei dieser Entscheidung) im Leben immer so viel mit rein. Natürlich auch das realistische Bewusstsein, dass sich mit einem Kind unser Leben natürlich ändern würde. Aber ich kann Dir nicht „den einen Grund” nennen. Und will auch nichts vorschieben wie „Will ich in diese Welt Kinder setzen?”. (Das wäre nämlich in meinem ganz spezifischen Fall wirklich ein „Vorschieben” und nicht der eine Grund.)
Obwohl einen Grund kann ich vielleicht nennen: Ich gestalte mein Leben so wie ich es in jedem Moment für richtig erhalte. So wie ich es fühle. Und wenn das Gefühl dann nicht da ist, dann ist das vielleicht der Grund.
Ich glaube „Das kommt schon noch…” kommt nicht mehr
Ich bin mir sehr sicher, dass sich viele sehr freuen würden, wenn wir unsere Meinung ändern würden. In der Familie. Im Freundeskreis. Wäre doch auch super schön, wenn die Kinder zusammen spielen könnten. Und ich bin mir auch sehr bewusst, dass wenn dieses „Das kommt schon noch” wirklich nicht mehr kommt, was gerade immer wahrscheinlicher wird. Dass wir dann im Freundes- und Bekanntenkreis eine andere Rolle haben werden, als mit Kind.
Manchmal komme ich mir seltsam vor, wenn ich da nach dem Baby-Besuch nach Hause fahre und sich nichts in mir geändert hat. Dann denke ich: Wer hat eigentlich gesagt, dass keine Kinder zu planen „der unnormale Weg ist”? Wieso steht das in unserer Gesellschaft so fest? Wieso muss ich mich deshalb vor anderen als Frau und auch vor mir selbst rechtfertigen?
Ja, ich mache mich mit solchen Texten wie dem heute auch sehr verwundbar. Angreifbar sogar. Aber ich habe diese Life at 30 Kolumne damals begonnen mit dem absoluten Bedürfnis nach Offenheit und Ehrlichkeit. Und obwohl vieles in meinem Leben und meiner Ehe privat ist, da will ich die Gedanken zum Thema Kinder mit Euch teilen. Nicht, um mir etwas von der Seele zu schreiben. Nicht einmal, um Zuspruch zu bekommen. Sondern vor allem, weil ich durch viele private Nachrichten und Gespräche weiß: Ich bin nicht die Einzige. Wir sind nicht die Einzigen.
Und das eigene Leben so zu gestalten, wie wir es wirklich, wirklich in unserem Innersten wollen. Das habe ich zu meiner Message gemacht. Darauf habe ich den Großteil meiner Selbstständigkeit basiert (jetzt sogar mit dem Life at 30 Mentoring). Und da ist das Thema Kinder eben – gerade bei uns Frauen – ein so wichtiger Punkt. Über den wir nicht nur hinter vorgehaltener Hand sprechen sollten.
Genau so wie ich mit voller Liebe akzeptiere, wenn für Freunde Kinder der größte Wunsch ist, wünsche ich mir auch für ein „Das kommt schon noch, das nicht mehr kommt” Akzeptanz. Nicht, weil ich anderen gefallen will. Sondern weil es einfach schöner wäre, wenn das auch „ganz normal“ wäre.
Bild: Sophie Wolter
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2 Kommentare
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Susan Fengler
21. November 2022 at 17:24
Sehr, sehr gern liebe Bine. Danke für Dein Feedback! Liebe Grüße, Susan
Antworten
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Bine
18. November 2022 at 22:22
Liebe Sue,
das ist so toll und so unfassbar ehrlich geschrieben – hat mich wirklich nachdenklich gemacht und ich hab mich darin echt zum Teil so gut wieder erkannt. Das Gefühl dabei ist das Wichtigste.. und dieses „innere“ Gefühl kann niemand „im außen“ greifen. Dein Leben, deine Entscheidungen. Danke für diesen unfassbar ehrlichen Text.
Liebe Grüße
AntwortenBine