Life at 30: Wer nett ist verliert (oder wird angepöbelt)
In: Life at 30
Das habe ich so zumindest in der letzten Zeit immer wieder zu spüren bekommen. Davon lasse ich mich nicht unterkriegen, aber ich will es dennoch ansprechen. Wer nett ist verliert – stimmt das denn?
So eine Überschrift kennt Ihr gar nicht von mir, oder? Wer nett ist verliert (oder wird angepöbelt). Klingt ganz schön negativ. Aber das musste einmal so hart formuliert werden. Denn gerade in der letzten Zeit (und das bei traumhaftestem Sommerwetter in Hamburg) hatte ich genau diesen Satz im Kopf.
Ich weiß, in unserer Ellenbogen-Gesellschaft und vor allem in Bezug auf Karriere ist nett wirklich oft der kleine Bruder von Ihr-wisst-schon. Trotzdem versuche ich immer nett und hilfsbereit zu sein. Und so oft ist man doch selbst viel glücklicher, wenn man anderen etwas Gutes tut.
Als mich vor einer Woche zum Beispiel eine Verkäuferin im Laden um die Ecke auf mein Sweatshirt ansprach und ich ihr ein paar Tage später einen Zettel mit den Infos mitbrachte, wo sie es bestellen kann. Und sie sowas von happy war – und ich dann gleich mit. Das sind so Kleinigkeiten, die mich aber auch selbst ganz schön glücklich machen, wenn ich sehe, wie sich der andere freut.
Wenn ich nett zu anderen bin, dann kommt es so oft als Glücksmoment zu mir zurück. Aber es gibt auch diese Momente, in denen ich mir ganz schön dumm vorkomme. In denen ich mich so richtig ärgere, weil ich das Gefühl habe: Es ist oft in unserer Gesellschaft beinahe einfacher ignorant und unachtsam zu sein. So oft bin ich mit meinem nett und positiv sein wie ein Alien in einer Welt, in der sich viel lieber beschwert wird.
Wer nett ist verliert (oder wird angepöbelt) – das Gefühl hatte ich in letzter Zeit
Ja der Deutsche an sich, der beschwert sich schon mal gern. Das ist mir in den 32 Jahren meines Lebens schon sehr bewusst geworden. Manchmal mache ich mir sogar einen Spaß daraus, Menschen, die so richtig unfreundlich sind, extra-freundlich entgegenzutreten.
Aber was ich so richtig hasse? Wenn ich mir, weil ich nett sein wollte, so richtig dumm vorkomme.
Da war zum Beispiel diese Situation auf der Fahrradstraße vor kurzem. Ich komme zur Kreuzung geradelt und sehe wie ein Auto schon ewig wartet, weil die Radfahrer immer in solchen Abständen kommen, dass er nicht über die Kreuzung kommt. Bei mir ist gerade eine Lücke, also fahre ich ganz langsam und halte an. Weil ich eine solche Situation kenne und ich es nicht besonders eilig habe. Einfach um nett zu sein. Und es dauert keine 10 Sekunden, da werde ich von links von einer Radfahrerin und von einem Autofahrer auf der anderen Seite der Kreuzung (der nach dem anderen dran wäre) angeschrien. Ja wirklich so richtig angepöbelt. Vom Fahrrad und aus dem offenen Autofenster. Ich hätte Vorfahrt. Und werde dabei noch ausgelacht. Als sei ich zu dumm. Dabei wollte ich einfach nur nett sein.
Und wisst Ihr was richtig bescheuert ist? Dass solche kleinen Situationen bei vielen dazu führen, dass sie dann beim nächsten Mal denken: Ich, ich, ich.
Diese Story ist so unfassbar, dass ich immer noch den Kopf schütteln muss
Aber die krasseste Situation ist mir – übrigens in derselben Woche bei perfektem Sommerwetter – passiert. Und zwar bei Netto. Das schreibe ich jetzt auch, denn in diesem Supermarkt hatte ich schon einmal ein so negatives Erlebnis, dass ich jetzt beschlossen habe nichts mehr bei Netto zu kaufen, obwohl einer direkt bei mir ums Eck ist. Was mich so geärgert hat?
Im Supermarkt gibt es doch diese Selbst-Scann-Kassen. Da ich beim letzten Mal an der Kasse ein negatives Erlebnis hatte, beschloss ich, meinen Einkauf selbst zu scannen. Lief auch super, bis ich zur Süßkartoffel kam. Die war beim Gemüse nicht zu finden. Da gab ich sie manuell ein und weil ich von einer Situation an der anderen Kasse kurz abgelenkt war, dachte ich, es hätte alles geklappt. Zu Hause angekommen (nur 2 Minuten Fußweg), stellte ich meine schwere Tasche ab und kontrollierte noch einmal den Einkauf. Auf dem Zettel stand keine Süßkartoffel. Und da ich ohnehin noch einmal zur Drogerie musste und der Netto ja so nah ist, bin ich mit dem Zettel noch einmal zurück gelaufen.
Die Sache mit der Süßkartoffel…
Ob das andere gemacht hätten? Das bezweifle ich stark. An der Kasse erklärte ich dann der Kassiererin, dass die Süßkartoffel wohl bei mir nicht mit kam und ich sie noch nachträglich bezahlen wolle. Viele hätten es wohl einfach auf sich beruhen lassen. Klar, ich hatte einen kleinen Fehler gemacht und den wollte ich fix ausbügeln. Die Kassiererin hat allerdings ganz anders reagiert als erwartet und kurz dachte ich, sie ruft wegen einer Süßkartoffel die Polizei. Statt eines Lachens und eines „Ach nett, dass sie deshalb noch einmal zurückkommen.” Wurde ich schrecklich angepampt und mir wurde mit ganz viel Herabwürdigung mehrmals in unterschiedlichen Worten gesagt: „Das kann man jetzt aber auch ganz anders auffassen.” Der Kassenzettel wurde einbehalten und ich musste wirklich noch einmal die Süßkartoffel aus der Wohnung holen, da sie Wiegeware ist und ich genau die Süßkartoffel bezahlen musste, die ich hatte (eine andere zu wiegen wurde abgelehnt).
Die Art, in der mich die Kassiererin wie eine Schwerverbrecherin behandelte. Da werde ich jetzt noch wütend. Ein „Scheiss drauf”, das viele andere in der Wohnung beim Prüfen des Kassenzettels gesagt hätten, hätte mir an diesem Tag auf jeden Fall viel Zeit und Nerven gespart. Denn – nett wie ich nunmal bin – bin ich sogar wirklich noch die Süßkartoffel holen gegangen, damit genau diese gewogen werden kann.
Wer nett ist verliert (oder wird angepöbelt)? In diesen Fällen schon. Aber ich lasse mich trotzdem nicht entmutigen, weiterhin nett und freundlich auf Menschen zuzugehen. Auch wenn das ab und an so gar nicht erwidert wird. Und es oft viel, viel einfacher wäre, einfach ignorant und egozentrisch zu sein.
Bild: Dennis Kayser
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