Life at 30: Von Fassaden und dem Blick auf die anderen
In: Life at 30

„Boah, läuft so richtig bei ihr, oder? Wieso sieht die dann nicht so happy aus?” Von Fassaden und dem Blick auf die anderen.
Authentizität. Genau so schwierig auszusprechen, wie sie zu leben. Seit 2011 schreibe ich hier, war erst eine der wenigen Bloggerinnen in Deutschland, dann ging Instagram irgendwann los. Und plötzlich wurden die kleinsten Momente aus dem Leben bei vielen wie in einer Art Livestream geteilt. Macht neugierig, ich weiß. Weil ich nicht alles aus meinem Leben „streamen” wollte (das wusste ich schon, bevor ich Stressmanagement-Expertin war), ist es seitdem ein ständiger Spagat zwischen: „Was teile ich mit euch und was behalte ich für mich?” „Mit welcher Anekdote helfe ich vielleicht so vielen und bin richtig ehrlich und was ist einfach privat und soll es auch bleiben?”.
Läuft bei dir! Von Fassaden und dem Blick auf die anderen
Wenn wir auf andere schauen, dann sieht das Gras sprichwörtlich wirklich so richtig grün und saftig aus (wieso denke ich jetzt an Matcha?). Instagram macht es da überhaupt nicht besser. In den Dreißigern wird für einen Triathlon trainiert und alle anderen sind natürlich gefühlt täglich im Reformer-Pilates-Kurs und trainieren während sie sich filmen und scheinbar überhaupt nicht schwitzen, sondern immer fabelhaft aussehen. Während ich mich vom Schreibtisch abends auf die Yoga-Matte robbe. Davor schon drei Mal auf der Couch saß und alle eine Stunde lang beim Reformer Pilates beobachtet habe, bis ich mich endlich aufraffen konnte zu Hause vom Sofa auf die Matte zu wechseln. Wo ich mich selbst überreden muss, vielleicht doch das 25-Minuten-Video anzuklicken und nicht das „Kurzprogramm für nach der Arbeit”, das ich sonst so oft mache.
Hey, we listen and we don’t judge, oder wie war das?
Was natürlich als Social Media Trend gut funktioniert, aber im echten Leben gar nicht stimmt. Alle judgen. Alle verurteilen. Immer. Besonders wir Frauen.
Ganz ehrlich: Wenn du an mich denkst, dann hast du dir doch bestimmt vorgestellt, wie ich schon morgens vor dem Frühstück (wird nicht passieren…) voller Energie im schönsten Outfit auf die Yoga-Matte springe, danach in einer Art Zeremonie Matcha in meine hübsche Tasse rühre (habe ich natürlich alles).
In der Realität sitze ich mit fettigen Haaren und einem Kamillentee am Esstisch und habe mein Porridge nur mit Wasser aus dem Wasserkocher aufgegossen (riesiger Tipp!), weil mir alles andere viel zu viel Aufwand war. Fun Fact: Auch das ist Selbstfürsorge und Stressmanagement. Gerade das. Mir nicht die scheinbar perfekte Morgenroutine „aufzuerlegen”, sondern das zu machen, was für mich funktioniert und mich morgens nicht direkt stresst.
Dir anhand solch einer realistischen Situation zu zeigen, dass wir alle beim Blick auf die anderen meist völlig perfektionierte Vorstellungen haben, das fällt mir nicht besonders schwer.
Aber ich will das Bild auch größer ziehen…
Als ich mein Buch herausgebracht habe, dachten viele: Was? Die ist gerade bei richtig, richtig bekannten Menschen mit ihrem blauen Buch in der Story und in beinahe jeder Zeitschrift, die ich aufschlage. Hat Frauen fürs Buch interviewt, die ich aus TV-Shows kenne. Macht Buch-Events und ausverkaufte Buch-Tour-Stopps überall in Deutschland mit einer richtig coolen Hotelkette. Und ja das stimmt alles.
Und was war zuerst mein Blick auf die anderen, bevor ich mich mit voller Gewalt davon losreissen musste, um meinen Buch-Launch auch richtig genießen zu können? „Boah, der signiert schon vor dem Launch palettenweise Bücher.”
Was mir geholfen hat? Den Blick auf mich zu richten. Was ich alles durch meine Arbeit und mein Netzwerk erreicht habe für meinen Buch-Launch. Darauf richtig stolz zu sein. Und auch meinen Weg in den Blick zu nehmen. Hättet ihr mir als Germanistik-Studentin damals gesagt, dass mir mit Mitte 30 bei meinem ersten Buch Leserinnen schreiben würden, dass mein Buch so wertvoll für sie ist. Richtig lange, lange Nachrichten.
Dass mir eine ehemalige Retreat-Teilnehmerin erzählen würde, dass ihr Mann mein Buch immer von ihrem Nachttisch klaut und so viel für seinen Job daraus mitnimmt.
Dass alles, was ich oben geschrieben habe, nach viel Arbeit Realität wird (Ganz Instagram war im Februar Sue-Blue, ich bin auch jetzt noch monatlich mit meinem Buch und als Expertin im Interview in Zeitschriften, wurde zu Talks eingeladen und als Speakerin gebucht. Aber vor allem (und das Wichtigste!) bekomme ich richtig tolles Feedback zu meinem Buch selbst, von denen, die es bereits gelesen haben.). Ich hätte es nicht glauben können.
Und jetzt bin ich so richtig glücklich, wenn mich wie gestern wieder Nachrichten erreichen, dass im genau richtigen Moment im Buchladen über mein Buch gestolpert wurde. Plane außerdem so viel Tolles für euch für den Herbst. Ja, neben den Retreats (schau unbedingt hier und melde dich für die wenigen Plätze an), auch etwas in Bezug auf mein Buch.
Wenn du in den letzten Monaten auf mich geschaut hast, dann hattest du vielleicht auch den Gedanken: Bei ihr scheint alles immer so easy zu laufen. Jetzt bringt die auch noch ein Buch raus und dabei macht die doch eh schon tausend Dinge.
Außen vs. innen
Gestern habe ich geteilt, dass ich gerade eine schwierige Zeit habe. Das hat nicht nur mit dem „sich neu Finden” nach der Buch-Tour zu tun. Sondern auch mit einer privaten Situation, die mich seit Jahren so sehr belastet, dass ich manchmal am liebsten schreiend durch die Stadt laufen würde. Die ich aber nicht teile, weil es jemand anderen betrifft. Sieht niemand. Bei mir läuft ja immer alles auf den ersten Blick.
Aber es hilft vielleicht trotzdem mitzudenken, dass wir beim Blick auf die anderen auch nie das ganze Bild sehen.
Foto: Sophie Wolter
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