Life at 30: Make telefonieren great again

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Telefonieren? Das ist quasi, als würdest Du eine Nachricht nicht tippen, sondern direkt über Dein Smartphone mit der anderen Person sprechen. Nee, nicht als Sprachnachricht im Monolog. Im Dialog. Die Person antwortet Dir direkt. Lasst uns übers Telefonieren sprechen. Und warum es manchmal so wertvoll ist.

Wenn ich schreibe „make telefonieren great again”, dann bedeutet das übrigens nicht, dass ich wahnsinnig heiß aufs Telefonieren bin. Außer mit den Eltern, denn da ist es so viel einfacher und schöner als Nachrichten hin und her zu schicken. Aber mit Freundinnen? Da bin ich im Alltag absolut im Sprachnachrichten-Modus (wenn nicht WhatsApps geschrieben werden). Mit meiner Freundin Sarah sind die Sprachnachrichten teilweise von einer solch riesigen Dauer, dass manches Hörbuch kürzer wäre. Da kann man auch schon einmal die halbe Wohnung aufräumen und Mittagessen und die andere Person spricht immer noch. Warum ich das aber so mag? Ich kann „abhören”, wenn es gerade in meinen Tag passt.

Wie oft ich in 15 Jahren Beziehung und über 5 Jahren Ehe mit meinem Mann telefoniert habe? Unterschreitet deutlich die Sprachnachrichten-Dauer mit meiner besten Freundin. Wir telefonieren eigentlich nur, wenn er Auto fährt. Sonst gibt es eine Nachricht. Und das finde ich absolut gut so. Steht übrigens ganz im Gegensatz zum Anfang unser Beziehung, da gab es das typische „Du legst auf… Nein Du”.

Erinnerst Du Dich noch? Als wir jung waren und bei den anderen anrufen mussten, um ein Treffen auszumachen? Wie unmittelbar das doch war. (Und wie viel Herzklopfen mit dabei war, wenn man zum ersten Mal mit dem Schwarm telefonierte…)

Telefonieren wird mittlerweile zu 90% durch Mails und Nachrichten ersetzt

Ganz schön viel „Kein-Telefonieren-Werbung” hier am Anfang. Jaha. Aber jetzt kommt der Wendepunkt hier im Artikel.

In meinem Job (und sicherlich auch in vielen Eurer Jobs) läuft die Hauptkommunikation via Mail ab. Ich bekomme Anfragen. Schreibe Auftraggeber*innen, Mentees, Coaching-Klient*innen, um Termine abzusprechen. Das Mailpostfach läuft eigentlich ständig über vor lauter Newslettern, Pressemitteilungen, wichtigen Job-Mails und auch besonders viel (seien wir ehrlich) Spam. In den vergangenen Tagen habe ich mir einmal eine Stunde genommen und aktiv Newsletter abbestellt, die sich über die Jahre irgendwie angesammelt hatten.

Bei all den Mails gibt es aber auch häufig eine Frustration. Nicht nur, weil der Mail-Berg immer größer wird und manchmal für einige nur noch schwer zu bewältigen ist. Sondern auch oft aus drei Gründen.

Grund Nr. 1: Du hast gerade jemandem geantwortet und kannst das von Deiner To-Do Liste abhaken. Da kommt -pling – die Antwort und Du kannst das Thema direkt wieder auf die To-Do Liste setzen.

Grund Nr. 2: Der Mail-Marathon. Ich habe mit Kund*innen schon 12 (!) Mails geschrieben und am Ende kam die Kooperation nicht mal zustande. Ganz schön zeitaufwendig und frustrierend.

Grund Nr. 3: Die Warterei. Gerade habe ich bei einem eigentlich so, so schönen Projekt, das bereits von Angesicht zu Angesicht besprochen wurde eine solch große Frustration. Weil teilweise Wochen verstreichen, bevor ich wieder etwas von der anderen Person „höre” – also lese. Teilweise gibt es sogar ein „Ghosting”, wenn selbst nach eindeutiger Projektzusage einfach nicht mehr geantwortet wird.

Wann wurde telefonieren solch eine Hürde?

Ich bekomme es oft im Coaching mit, aber auch in meinem Umfeld. Jemanden anzurufen, das erscheint oft eine riesige Hürde zu sein. Viele trauen sich schlicht und einfach nicht. Wohl auch, weil wir es gar nicht mehr gewohnt sind und durch die Digitalisierung eine „schnelle Nachricht” so viel leichter erscheint.

Gerade bei der Gen Z habe ich in meinem letzten Job als Leitung einer Online-Redaktion gemerkt, wie viel Ängste und Unsicherheiten mitschwingen, wenn es um das Telefonieren geht. Da vergab ich einen recht zeitkritischen Auftrag und fragte später nach, wie das Gegenüber reagierte und ob jetzt alles final steht. „Hab ich noch nicht erreicht. Hat auf drei Mails noch nicht geantwortet.” „Hast Du denn mal angerufen?” „Nein.” Fünf (ich wiederhole: fünf!) Minuten später war alles via Anruf besprochen und ausgemacht.

Nach einem Gespräch mit der Inhaberin einer PR-Agentur Anfang des Jahres und einigen Stressmanagement-Coachings, überlege ich sogar, das Thema aktiv mit in mein aktuelles Coaching mit aufzunehmen. Weil es privat und beruflich für die Kommunikation so wertvoll ist.

Als Generation Praktikum musste ich früher bei zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften Telefonate tätigen. Ständig. Es gab sogar damals noch Telefon-Interviews (sogar in die USA), die ich transkribieren musste. Klingt jetzt als sei ich hundert Jahre alt, aber das war so 2008. Hat mir definitiv die Unsicherheit beim Telefonieren genommen.

Was mir allerdings bei mir selbst heute immer wieder auffällt? Ich denke oft gar nicht an die „Option Telefonat”. Weil wir im Alltag so gewöhnt sind, dass wir gar nicht mehr telefonieren müssen. Selbst Arzt-Termine lassen sich mittlerweile easy via Doctolib ausmachen, ohne jemanden „an der Strippe” zu haben. (Kleiner Tipp: Anzurufen hat mir schon wahnsinnig oft schnellere Termine verschafft.)

Make telefonieren great again

Ganz ehrlich: Ich plane gerade in meiner Funktion als Stressmanagement-Trainerin ein tolles Retreat (bald noch viel mehr dazu). Und da fiel mir die Kommunikation mit meiner Partnerin für dieses Projekt so wahnsinnig positiv auf. Alles so deutlich und schnell besprochen. Warum? Weil wir telefoniert haben, statt uns unzählige Mails hin und her zu schicken.

Und ich meine wirklich (!) telefoniert. Kein „Call”. Kein Zoom. Kein Teams. Einfach iPhone auf Lautsprecher auf den Tisch gelegt und dabei Notizen geschrieben. Das erleichtert unsere Kommunikation und Planung so ungemein.

In einer privaten Situation, da hätte ich mir gewünscht, ich hätte die „Option Telefonat” (wie oben geschrieben) bewusster vor Augen gehabt. Da wartete ich bei einer Freundin, die mir wichtig ist, sehr lange auf Antworten auf meine zahlreichen Nachrichten an sie. Machte mir Gedanken, ob ich „etwas Falsches” gesagt hatte. Ob sie einfach keinen Bock mehr auf mich hätte. Dabei steckte am Ende etwas ganz anderes dahinter.

Lasst uns nicht nur schreiben, sondern auch häufiger miteinander sprechen. Ist oft so viel einfacher.

Bild: Unsplash.com


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