Life at 30: Es fehlt der Safe Space

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Als ich Instagram nach ein paar Stunden in der Natur öffnete. Da sagte ich vor ein paar Tagen genau das zu meinem Mann: Es fehlt der Safe Space!

Dieses Thema aufzugreifen. Darüber denke ich schon seit letzter Woche nach. Aber es ist schwierig, hier die richtigen Worte zu finden. Trotzdem will ich versuchen zu erklären, was ich mit diesem „Safe Space” meine. Gemeint ist mit diesem Begriff aus dem Englischen ein „sicherer Raum”. Ein Ort, an dem man sich wohl und sicher fühlen kann. Das muss nicht einmal ein wirklich physischer Ort sein (wie das eigene Wohnzimmer). Es kann auch ein abstrakter Ort sein (zum Beispiel eine Social Media Plattform).

Nehmen wir einfach die Situation von letztem Sonntag. Die letzte Zeit war viel. Allein die sich wieder zuspitzende aktuelle Situation wäre schon genug. Bei uns kommt noch die Wohnungssituation dazu. Noch Privates, über das ich hier nicht sprechen will. Bei anderen zig andere Themen. Da tat es sowas von gut mal einfach auf einer Wiese im Matsch zu stehen und mich wie ein kleines Kind am Anblick von Alpakas zu erfreuen. Danach am Deich die Nase in die Sonne und in den Wind zu strecken. Und kurz. Ganz kurz. Mal kurz zu verdrängen, was gerade auf der Welt los ist.

Ablenkung. Das ist im Stressmanagement sogar als kurzfristige Lösung bekannt und beliebt. Ein wesentlicher Teil der Achtsamkeits-Bewegung fußt darauf. Weil es dem Menschen so gut tut, dieses ablenken und „auch mal abschalten”.

Schnell wurde ich aber wieder eingeholt von der Realität als ich wieder im Auto saß. Nicht nur durch Radiobeschallung. Sondern vor allem auch wegen meines Jobs. Ich kann Social Media nicht einfach ignorieren. Weil es ein großer Teil meines Lebens ist. Aber als ich da auf die Story eines meiner liebsten Beauty-Accounts klicke, um – ja klar – mich auch in gewisser Weise mit „den schönen Dingen des Lebens von der knallharten Realität abzulenken”. Da sehe ich Beatmungsgeräte. Bilder einer Intensivstation. Mahnende Worte.

Und da sage ich zu meinem Mann:

Dieser Safe Space fehlt gerade so sehr

Das merke ich auch als Stressmanagement-Trainerin in Gesprächen. In meinem privaten Umfeld. Aber auch bei mir selbst.

Gerade wenn es einem nicht so gut geht (und ja das kann ich von mir und meinen letzten Monaten auch behaupten), dann braucht man auch diesen Safe Space. Diesen Ort, an dem man abschalten kann und sich sicher fühlt.

Mittlerweile wird man, egal was man bei Social Media anklickt (und beispielsweise Stories haben ja keine „Vorwarn”-Option) mit den schrecklichen Geschehnissen konfrontiert. Abrupt. Auch wenn man gar nicht damit rechnet.

Das ist für mich wegen des fehlenden Safe Space teilweise (aus beruflicher und persönlicher Sicht) sehr, sehr schwierig.

Denn damit es uns mental gut geht, ist eine solche „Krisen-Dauerbeschallung” pures Gift.

Ich plädiere hier nicht dafür, dass man unpolitisch ist, sich nicht mit dem Weltgeschehen beschäftigt, zum Leugner der Wissenschaft wird oder oder oder. Dafür kennt Ihr mich viel zu gut. Ihr wisst, dass ich Fan wissenschaftlicher Fakten bin und es wichtig finde, dass man sich informiert und dann auf Augenhöhe austauscht.

ABER (ja, wenn Du mein eBook gelesen hast, dann kennst Du dieses berühmte ABER).

Damit wir mental alles verkraften können und es uns gut geht, brauchen wir auch diesen Safe Space.

Dieses „Mal nicht an Pandemie/Klimakrise und Co. denken”. Nicht, weil wir es verleugnen oder nicht wahrhaben wollen. Sondern weil es niemand mental schafft, sich 24/7 mit den Krisen und schlechten News zu beschäftigen. Wir brauchen auch mal die Ablenkung. Den Sonnenspaziergang. Das Buch oder die Lieblingsserie mit einer ganz anderen Realität.

Das ist aber gerade unfassbar schwierig. Selbst Ablenkung durch Serien schauen wird immer schwieriger. Ich liebe Grey’s Anatomy eigentlich, aber ich konnte mir nicht dort auch noch die fiktiven Covid-Schicksalsschläge wöchentlich reinziehen. Irgendwann wurde es zu viel.

Bei einer Serie kann ich aber ganz einfach aufhören zu schauen und eine andere anfangen.

Auf Social Media ist das deutlich schwieriger. Vor allem wenn man – wie ich und viele meiner Kolleginnen – beruflich auf die Social Apps angewiesen ist. Sie Teil des Jobs sind.

Deshalb ist es mir auch wichtig zu sagen, dass ich dieses „Canceln”, weil sich jemand offensichtlich mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigt, absolut gefährlich finde.

Ich kann nur von mir sprechen, aber ich überlege mir sehr genau, was ich zum Beispiel in einer Instagram Story poste. Weil ich weiß wer mir folgt: Vornehmlich Frauen um die 30, die sich von mir positiv inspirieren lassen wollen für ihren Alltag. Die nach Tipps zur Stressbewältigung suchen. Und nach „Oh kenne ich gut”-Life-at-30-Momenten. In gewissem Maße biete ich ihnen einen Safe Space. Einen Ort zum Kraft tanken. Mut schöpfen. Auch mal lachen. Über die News bezüglich der Krise informieren sie sich bei der Tagesschau, dem Spiegels… Über die „neuesten Regeln” zum Beispiel auf den Websites und den Social Accounts der eigenen Stadt.

Natürlich ist es wichtig zu informieren und sich zu positionieren (dass ich geimpft bin, habe ich auch gepostet). ABER: Ich muss und will nicht alle Krisen-Facts „reposten” auf meinem Account. Vor allem nicht ohne Vorwarnung schreckliche Bilder und Videos in Stories. Und ich mache es auch nicht. Nicht nur, weil es nicht der Platz dafür ist. Sondern, weil ich bis zu einem gewissen Grad den Safe Space bieten will, den ich an anderer Stelle gerade so schmerzlich vermisse.

Das hat an dieser Stelle nichts mit „Sie ist so privilegiert, dass sie das einfach ausblenden kann” zu tun. Ich blende nichts aus. Aber ich versuche Verantwortung zu übernehmen. Und ich habe nicht nur eine Verantwortung zu informieren, sondern auch eine mentale Verantwortung meinen Follower*innen und Leser*innen gegenüber. Gerade weil ich weiß, warum sie bei mir sind.

Fehlt Dir auch teilweise ein Safe Space, vor allem online?


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